Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewilligungsreife eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Hatte eine Klage im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrags aus tatsächlichen wie rechtlichen Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg, so ist dem Kläger auch bei insofern nachträglich geänderten Verhältnissen PKH zu bewilligen.
2. Hat das Gericht zur Entscheidung über den geltend gemachten ernährungsbedingten Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB 2 sich gedrängt gesehen, in die Beweisaufnahme einzutreten und von den behandelnden Ärzten Befundberichte anzufordern, so kann aufgrund der gesehenen Notwendigkeit von Beweiserhebungen die Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Das Erscheinen der neuen Mehrbedarfsempfehlungen zum 1. 10. 2008 ändert an dieser Beurteilung der Sach- und Rechtslage nichts.
Tenor
Der Beschluss des SG Dortmund wird geändert.
Dem Kläger wird ab dem 19.05.2009 für das Klageverfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q, I, bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger begehrt für die Zeit ab dem 01.03.2008 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs gem. § 21 Abs. 5 SGB II. Nachdem die Beklagte ihm zuvor einen monatlichen Betrag von 30,68 EUR für ernährungsbedingten Mehrbedarf bewilligt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 31.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2008 die weitere Gewährung unter Bezugnahme auf ein Aktengutachten der Ärztin H vom 24.01.2008 ab. Danach bedinge die Harnsäureerhöhung im Blut allein eine modifizierte Normalkost, die ebenso wie eine Reduktionskost keine Mehrkosten im Vergleich zur Ernährung gesunder Personen verursache. Gleiches gelte für den Leberparenchymschaden. Die weiteren Krankheitsbilder Polyneuropathie bzw. Polyarthrose erforderten ebenfalls keine besondere Kostform und führten damit auch nicht zu Mehrkosten.
Mit der am 21.04.2008 bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und hat am 19.05.2008 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Zur Begründung hat er sich neben den Gesetzesmaterialien zum ernährungsbedingten Mehrbedarfszuschlag auf die "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" aus dem Jahre 1997 bezogen. Es bestehe keine Veranlassung, von diesen Empfehlungen abzuweichen.
Das SG hat mit Verfügung vom 11.02.2009 Befund- und Behandlungsberichte behandelnder Ärzte eingeholt und diese ergänzend befragt, ob der Kläger einer besonderen, von normaler Vollkost abweichenden Ernährung bedürfe, die Mehrkosten verursache. Der Hausarzt C vertrat die Auffassung, die Erkrankungen erforderten ein diszipliniertes Essverhalten mit einer von der normalen Vollkost abweichenden Ernährung, der damit verbundene Kostenaufwand liege durchaus etwas höher als normal. Die anderen Ärzte verneinten krankheits-/ernährungsbedingte Mehrkosten oder nahmen zu der Frage nicht Stellung. Die Beklagte legte eine weitere ärztliche Stellungnahme vor, wonach sich auch nach Auswertungen dieser Unterlagen medizinisch eine kostenaufwändigere Ernährung nicht belegen lasse.
Durch Beschluss vom 12.11.2009 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt, da die Hyperurikämie ebenso wie die anderen Krankheitsbilder nach der Neufassung der Empfehlungen des Deutschen Vereins, 3. Auflage 2008 nicht (mehr) als mehrbedarfsauslösende Erkrankungen anzusehen seien. Die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 könnten - so auch die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22.07.2009 - L 19 AS 41/08) - ohne weiteres auf die Zeit vor deren Erscheinen zum 01.10.2008 angewendet werden.
Mit seiner am 04.12.2009 erhobenen Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, ihm sei PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q zu bewilligen. Das SG hätte zu einem früheren Zeitpunkt über seinen Antrag entscheiden können. In dem angefochtenen Beschluss werde Bezug genommen auf eine Rechtsprechung des LSG 14 Monate nach Beantragung der PKH. Im Zeitpunkt seines Antrags habe die Klage noch hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem Kläger ist für das Klageverfahren PKH zu bewilligen.
Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73 a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) u. A., dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese besteht, wenn das Gericht den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar h...