Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Begründetheit einer Anhörungsrüge

 

Orientierungssatz

1. Der die Anhörungsrüge nach § 178a SGG begründende Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn das Gericht den Hinweis auf einen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt unterlässt, mit dem auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfG Beschluss vom 8.1.2004, 1 BvR 864/03).

2. Es stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn das Gericht im Rahmen der Bildung seiner Rechtsmeinung zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als der Antragsteller.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 27.05.2005; Aktenzeichen 1 BvR 964/05)

 

Tenor

1. Die Anhörungsrüge des Antragstellers wird zurückgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt

 

Gründe

Der Antragsteller (Ast) wendet sich mit seiner Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gegen den Beschluss des Senates vom 09. März 2005, mit dem die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 22. Februar 2005 zurückgewiesen worden ist. Er macht zur Begründung seiner Rüge im Wesentlichen geltend, das Sozialgericht habe den von ihm gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht berücksichtigt. Ferner sei ihm der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21.02.2005 nicht zugeleitet worden. Das Landessozialgericht habe es versäumt, die von ihm benannten Akten und Schreiben aus anderen Verfahren zum Beschwerdeverfahren beizuziehen. Ferner habe das Landessozialgericht gegen den Grundsatz der Erwägung des Vortrags des Beteiligten verstoßen, indem es die entscheidungserhebliche Frage, ob der Semesterbeitrag zum notwendigen Lebensunterhalt des Antragstellers und Studenten im Examen gehöre, unbeantwortet gelassen habe. Letztlich habe das Landessozialgericht gegen das Verwertungs- und Überraschungsgebot verstoßen, indem es verkannt habe, dass eine Überschreitung des Regelsatzes um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf durchaus der üblichen Praxis entspreche.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 20.03.2005 und 01.04.2005 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin (Ag) ist der Auffassung, die Rüge sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der Antragsteller habe nicht dargetan, wodurch sein Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein solle.

I.

Die gemäß § 178 a Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -in der Fassung durch Art. 9 Nr. 3 des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Anhörungsrügengesetz - vom 09.12.2004 (Bundesgesetzblatt I S. 3220) erhobene Anhörungsrüge ist zulässig. Gegen den Beschluss des Senats vom 09. März 2005, gegen den sich der Antragsteller mit seiner Rüge wendet, ist ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gemäß § 177 SGG nicht gegeben. Der Antragsteller hat die Rüge auch fristgerecht im Sinne von § 178 a Abs. 2 SGG erhoben. Der Beschluss des Senats vom 09.03.2005 ist dem Antragsteller am 11.03.2005 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Die Anhörungsrüge des Antragstellers ist am 22.03.2005 beim Landessozialgericht eingegangen. Damit ist die Zwei-Wochenfrist des § 178 a Abs. 2 SGG gewahrt.

Die Rüge ist jedoch nicht begründet, da die Entscheidung des Senats vom 09.03.2005 nicht den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 178 a Abs. 1 Nr. 2 SGG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Anspruch auf rechtliches Gehör erst dann verletzt, wenn das Gericht den Hinweis auf einen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt unterlässt, mit dem auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 84, 188,190; 86, 133, 144; 98, 218, 263; Beschluss vom 08.01.2004, Az.: 1 BvR 864/03, NJW 2004 1371 ff.). Daran fehlt es hier.

Der Einwand, das Sozialgericht habe den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht berücksichtigt, geht schon deswegen ins Leere, weil damit allenfalls eine Rüge des erstinstanzlichen Verfahrens erhoben wird, die jedenfalls im Rahmen der Anhörungsrüge gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht statthaft ist. Für das Beschwerdeverfahren vor dem Senat hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe jedenfalls nicht beantragt.

Gleiches gilt im Grunde für die Behauptung des Antragstellers, ihm sei der Schriftsatz des Antragsgegners vom 21.02.2005 weder vom Sozialgericht noch vom Senat zugeleitet worden. Im Übrigen befindet sich auf Blatt 41 Rückseite der Prozessakten die Verfügung des erstinstanzlichen Vorsitzenden, dem Antragsteller eine Ablichtung dieser Stellungnahme mit dem Beschluss zuzuleiten. Diese Verfügung ist ausweislich der Akten von der Geschäftsstelle des Sozialgerichts am 22.02.2005 ausgeführt worden. Für den Senat bestand daher weder Anlass noch erkennbare Notwendigkeit, dem Antragsteller erneut ein Doppel die...

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