Tenor

Auf die Beschwerde des Beigeladenen zu 7) wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 11.07.2016 abgeändert. Der Antrag auf sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 20.05.2015 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der zu 7) beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg ist abzuändern.

1. Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, ist ein Rechtsschutzbedürfnis, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, vor § 51 Rdn. 16; Frehse in: Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, vor § 143 Rdn. 5 und § 86b Rdn. 26), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 19.05.2014 - L 11 KA 99/13 B ER -, 12.07.2012 - L 11 KA 39/12 B ER -, 13.04.2011 - L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER -, 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -, 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -, 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER - und 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -). Im Interesse der Entlastung der Gerichte ist das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (Senat, Beschlüsse vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -, 12.07.2012 - L 11 KA 39/12 B ER -, und 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -; vgl. auch Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 12 f.). Der gegenteiligen Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.10.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG setze im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraus, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden müsse, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; Jung in Jansen, a.a.O., § 51 Rdn. 8 f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG vorrangig (Senat, Beschlüsse vom 19.03.2012 - L 11 KA 15/12 B ER -, 07.09.2011 - L 11 KA 93/11 B ER -, 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -, 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -, 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER -, 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER - und 13.04.2011 - L 11 KA 133/10 B ER -).

Vor diesem Hintergrund ist ein Rechtsschutzbedürfnis nicht glaubhaft gemacht Es ist derzeit nicht ersichtlich, dass ein Antrag nach § 86a Abs. 3 SGG erkennbar aussichtslos gewesen wäre. Infolgedessen muss die Beschwerde der Beigeladenen zu 7) schon aus diesem Grund Erfolg haben.

2. Rechtsgrundlage für das Begehren des Beschwerdeführers im Übrigen ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Die von der Beschwerdeführerin vor dem SG Duisburg (S 19 KA 4/15) anhängig gemachte und gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 20.05.2015 gerichtete Klage hat aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die in § 86a Abs. 2 SGG geregelten Ausnahmetatbestände greifen nicht. Das Verhältnis von Regel und Ausnahme gilt es im Rahmen des § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zu beachten.

Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG sind die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -). Angesichts des in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG zum Ausdruck kommenden Regel-Ausnahmeverhältnisses bedarf es gewichtiger Gründe, die es rechtfertigen, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Insofern steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund (Senat, Beschlüsse vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER - und 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, wonach in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) die Vollziehung nur ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zwe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?