Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Übernahme der Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse
Orientierungssatz
1. Die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens können der Staatskasse auferlegt werden, wenn dieses die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat.
2. Ein Klageerfolg aufgrund eines Gutachtens nach § 109 SGG führt nicht in jedem Fall zur Kostenübernahme.
3. Ist in einem Rechtstreit des Schwerbehindertenrechts die von dem § 109 SGG-Gutachter bestätigte Verschlimmerung der Funktionsbeeinträchtigungen erst nach Vorlage des von Amts wegen eingeholten Gutachtens eingetreten und zudem zu einem Zeitpunkt, zu dem das Gericht ohne den Antrag nach § 109 SGG entschieden hätte, so ist eine Kostenübernahme auf die Staatskasse ausgeschlossen. Die erst später eingetretene Verschlimmerung kann mittels eines Änderungsantrags geltend gemacht werden.
Tenor
Der Antrag auf Übernahme der Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachtens des Arztes für Orthopädie Dr. B aus S vom 15.10.2017 auf die Staatskasse wird abgelehnt.
Gründe
I. Streitgegenstand des zugrunde liegenden Klage- und Berufungsverfahrens ist die Feststellung eines GdB von 50 gewesen.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches und ein internistisch-pulmologisches Sachverständigengutachten eingeholt und im Anschluss an diese Gutachten die Beklagte zur Feststellung eines GdB von 40 verurteilt. Der erkennende Senat hat im Berufungsverfahren zur Abklärung einer somatoformen Schmerzstörung ein neurologisch-psychiatrisches und zur Abklärung einer Verschlimmerung des Lungenleidens ein erneutes internistisch-pulmologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Beide Gutachten haben den GdB von 40 bestätigt. Im Juli 2016 hat der Senat darauf hingewiesen, dass nach der Sachaufklärung von Amts wegen die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe.
Die Klägerin hat daraufhin beantragt, den Arzt für Orthopädie Dr. B nach § 109 SGG als Sachverständigen zu hören. Sie hat an dem Antrag auch nach dem Hinweis dieses Arztes festgehalten, es sei nach Eingang des Gutachtenauftrages mit einer Dauer von sechs bis neun Monaten bis zur Einladung der Klägerin zu rechnen. Der Senat hat nach Einzahlung eines Kostenvorschusses durch die Klägerin i.H.v. 3.500 EUR mit Beweisanordnung aus November 2016 Dr. B zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat die Klägerin im Mai 2017 untersucht und im November 2017 sein Gutachten vorgelegt, für das er 3.160,09 EUR in Rechnung gestellt hat. Dr. B hat anders als der vom Sozialgericht beauftragte orthopädische Sachverständige das bei der Klägerin bestehende Wirbelsäulenleiden nunmehr mit einem Einzel-GdB von 30 statt 20 und den GdB insgesamt mit 50 bewertet. Das Wirbelsäulenleiden habe sich verschlechtert. Diese Verschlechterung und damit der GdB von 50 seien ab dem Datum der Untersuchung im Mai 2017 anzunehmen. Die Beklagte hat sich daraufhin zur Feststellung eines GdB von 50 ab Mai 2017 bereit erklärt. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt die Übernahme der Kosten des Gutachtens von Dr. B auf die Staatskasse.
II. Über die endgültige Tragung der Kosten eines Gutachtens nach § 109 SGG entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rn 16). Zuständig ist im vorliegenden Fall einer Erledigung außerhalb der mündlichen Verhandlung der Berichterstatter, § 155 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 4 SGG (vgl. Keller, a.a.O., § 155 Rn 8, 9e).
Bei der Ermessensentscheidung wird berücksichtigt, ob das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat, was wiederum dann regelmäßig angenommen wird, wenn deswegen ein Vergleich geschlossen oder ein Anerkenntnis abgegeben wird (vgl. Keller, a.a.O., § 109 Rn 16a; Pitz, in: jurisPK-SGG, Stand: 09.05.2018, § 109 Rn 37; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl. 2016, III Rn 101). Trotz eines Anerkenntnisses soll eine Kostenübernahme bei Mangelhaftigkeit des Gutachtens ausscheiden (Pitz, a.a.O.). Eine Übernahme soll dagegen erfolgen, wenn das Gutachten nach § 109 SGG eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes belegt, da sich auch hierauf die von Amts wegen durchzuführende Sachaufklärung hätte beziehen müssen (Kühl, in: Breitkreuz/Fichte, 2. Aufl. 2014, § 109 Rn 11 a.E.).
In teilweiser Abkehr von den vorgenannten Grundsätzen wird hier keine wesentliche Förderung der Sachaufklärung durch das Gutachten nach § 109 SGG angenommen.
Bei der Beurteilung der wesentlichen Verfahrensförderung ist hier einerseits zu berücksichtigen, dass die Antragstellung nach § 109 SGG und die damit regelmäßig einhergehende längere Dauer des Verfahrens in der Prozessordnung vorgesehen ist (vgl. zu den begrenzten Möglichkeiten der Ablehnung eines Antrags nach § 109 SGG wegen überlanger Gutachtendauer Keller, a.a.O., Rn 5b) und dass bei der zugrunde liegenden Anfechtungs- und Verpflichtungs...