Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 63. Lebensjahres. Erfüllung der 45-jährigen Wartezeit vor dem 63. Lebensjahr

 

Orientierungssatz

Zum (nicht bestehenden) Anspruch auf eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte vor Vollendung des 63. Lebensjahres (bzw der entsprechend angehobenen Altersgrenze), wenn die Wartezeit von 45 Jahren bereits vor Vollendung des 63. Lebensjahres (bzw der entsprechend angehobenen Altersgrenze) erfüllt war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2019; Aktenzeichen B 13 R 6/19 R)

BSG (Beschluss vom 12.03.2019; Aktenzeichen B 13 R 29/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.07.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Bewilligung abschlagsfreier Rente ab Vollendung des 62. Lebensjahres.

Der 1954 geborene Kläger hat mit seiner Arbeitgeberin, der S Aktiengesellschaft, am 20.11.2006 eine Vereinbarung getroffen, dass das Arbeitsverhältnis vom 01.06.2009 an als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wird. Laut § 3 Abs 2 der Vereinbarung wird die Altersteilzeit im Blockmodell geleistet mit einer Arbeitsphase vom 01.06.2009 bis zum 30.11.2012 (Vollarbeit) und einer Freistellungsphase vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2016 (keine Tätigkeit). Nach § 11 der Vereinbarung endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des 31.05.2016.

Am 19.01.2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Altersrente für langjährig Versicherte.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.06.2016 Altersrente für langjährig Versicherte. In dieser Rente ist ein Rentenabschlag, nämlich ein geminderter Zugangsfaktor von 10,8%, enthalten.

Mit seiner hiergegen am 21.07.2016 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe Anspruch auf Bewilligung der Altersrente ohne Abschläge wegen vorzeitiger Inanspruchnahme. Sein Rentenkonto weise nach Vollendung seines 62. Lebensjahres zum 01.06.2016 insgesamt 574 belegungsfähige Kalendermonate auf und damit eine 34 Monate betragende Übererfüllung der rentenrelevanten Wartezeit von 45 Jahren (540 Monaten) zum Bezug abschlagfreier Rente gemäß § 236 b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Ein Anspruch auf Rente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236 b SGB VI setze die Vollendung des 63. Lebensjahres voraus, für den Geburtsjahrgang 1953 mit einer Anhebung um zwei Monate. Es sei willkürlich und bedeute einen Verstoß gegen die Verfassung, Versicherten mit Erreichen des 63. Lebensjahres (ggf. zuzüglich jeweiliger Anpassungsmonate) und Erfüllung der Wartezeit von 540 Monaten abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236 b SGB VI zu gewähren, selbige indes Altersrentnern, deren Vorleistung für die gesetzliche Rentenversicherung bereits mit 62 Lebensjahren diejenige der "besonders langjährig Versicherten" deutlich übersteige, zu versagen. Hierin liege ein Verstoß gegen die Inhaltsbestimmung des Artikel 14 Abs 1 S 2 i.V.m. Art 3 des Grundgesetzes (GG).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihres Rentenbescheides vom 24.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2016 zu verurteilen, die dem Kläger bewilligte Altersrente ohne Abschläge wegen vorzeitiger Inanspruchnahme zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Umwandlung der bewilligten Altersrente für langjährig Versicherte im Sinne des § 236 SGB VI in eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte im Sinne des § 236 b SGB VI. § 236b SGB VI enthalte keine Regelung, wonach eine abschlagsfreie Rente schon vor Vollendung des 63. Lebensjahres gewährt werden könne, wenn die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Rentenabschläge zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art 14 des Grundgesetzes. Der Versicherte, der sich in Kenntnis des konkreten Abschlags für die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente entscheide und die damit verbundenen Vorteile in Anspruch nehme, habe mit einer dauerhaften Rentenkürzung für den früheren Renteneintritt zu rechnen. Zudem obliege es dem Gesetzgeber, zu entscheiden, in welchem Umfang und ab wann Verbesserungen gewährt werden sollten. Im Hinblick auf die Sicherstellung der Finanzierbarkeit und der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung habe der Gesetzgeber darauf verzichten dürfen, die Rentenvorgänge der Bestandsrentner aufzugreifen und in die ohnehin nur zeitlich begrenzte Privilegierung einzubeziehen.

Mit Urteil vom 20.07.2017 hat das Sozialgericht die Klage...

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