Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ist erforderlich, wenn der Antragsteller zuvor drei Jahre lang nur Sachleistungen nach § 3 AsylbLG und geringfügige Barbeträge erhalten hat. Weil während dieser Bezugszeit ein Nachholbedarf entstanden ist, ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten und weiter auf ein Existenzminimum unter dem Niveau des § 1 S. 1 SGB 12 verwiesen zu werden.

2. Ein Leistungsausschluss wegen Rechtsmissbräuchlichkeit i. S. von § 2 Abs. 1 SGB 2 ist zu verneinen, wenn eine Ausreise aus von dem Asylbewerber nicht zu vertretenden Gründen unmöglich ist. Fordert der ausländische Staat zur Erteilung der Reisedokumente für die Rückkehr eine Erklärung, dass die Rückkehr freiwillig erfolgt, so führt die Verweigerung einer solchen Freiwilligkeitserklärung nicht zur Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit. Deren Abgabe gehört nicht zu den Mitwirkungspflichten eines Ausländers.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 01.02.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Leistungen im tenorierten Umfang bis zum 31.05.2006 zu erbringen sind.

Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 10.02.2006, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 13.02.2006), ist unbegründet.

Zur Begründung verweist der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss, denen er sich nach eigener Überprüfung anschließt, und auf die Bezug genommen wird (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Die Beschwerdebegründung rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.

Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist hier erforderlich, um den Lebensunterhalt der Antragstellerin zu sichern. Der Senat hat insoweit bereits wiederholt entschieden, dass der Erlass der begehrten Anordnung auf Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) dann nicht mit der Begründung versagt werden kann, es liege kein Anordnungsgrund vor, wenn der Anordnungsanspruch nach dem Ergebnis der summarischen Prüfung nicht zweifelhaft ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 23.01.2006, Az.: L 20 B 15/05 AY ER, und 15.03.2006, Az.: L 20 B 8/06 AY ER). Zur Begründung ist auf den in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7387, Seite 112) zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zu verweisen, dass die Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes bzw. des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) und damit die Gewährung deutlich höherer Leistungen nach Erhalt von Leistungen gemäß § 3 AsylbLG über 36 Monate der Regelfall sein soll (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.11.2005, Az.: L 7 AY 4413/05 ER-B: "Die Antragsteller haben nunmehr über drei Jahre nur Sachleistungen nach § 3 AyslbLG und einen geringfügigen Bar-Betrag erhalten. Es liegt auf der Hand, dass in dieser Zeit auch bei Anlegung sozialhilferechtlicher Maßstäbe ein Nachholbedarf entstanden ist. Es ist ihnen nicht zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten und weiter auf ein Existenzminimum unter dem Niveau des § 1 S. 1 SGB XII verwiesen zu werden."). Der Senat hält daran fest, dass es den Leistungsberechtigten lediglich im Einzelfall zumutbar erscheint, z. B. bei erheblichen, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klärenden Zweifeln am Bestehen des Anordnungsanspruches, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit (niedrigeren) Leistungen nach § 3 AsylbLG wirtschaften zu müssen (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 21.12.2005, Az.: L 20 (9) B 37/05 SO ER).

Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs greift die Argumentation der Antragsgegnerin, die ausdrücklich und wiederholt erklärte Weigerung der Antragstellerin, bei der Beschaffung (iranischer) Reisedokumente mitzuwirken, rechtfertige die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer ihres Aufenthalts im Sinne des § 2 Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zu kurz.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Rechtsmissbräuchlichkeit nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung bereits der Umstand entgegensteht, dass die Antragstellerin derzeit beim Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen (Az.: 14a K 1970/05.A) eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage betreibt, mit der sie in der Folge eines Wiederaufgreifensantrages verbunden mit dem Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 2 und 4 Ausländergesetz (AuslG) vom 07.05.2004 jetzt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG festzustellen begehrt.

Für dieses Verfahren hat das VG Gelsenkirchen mit Beschluss vom 25.11.2005 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt u...

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