Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für einen selbständig tätigen EU-Ausländer
Orientierungssatz
1. Von Leistungen nach dem SGB 2 sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Ist ein anderes Aufenthaltsrecht als dasjenige zum Zweck der Arbeitsuche nicht ersichtlich, so besteht kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung.
2. Auf eine Freizügigkeitsberechtigung als Selbständiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG kann sich ein Unionsbürger berufen, wenn er zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit berechtigt ist. Voraussetzung hierzu ist, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit tatsächlich ausgeübt wird. Die bloße Registrierung eines Gewerbes als formaler Akt ist nicht ausreichend.
3. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 ist auch auf EU-Bürger anwendbar, die sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten. Ist der EU-Ausländer wirtschaftlich inaktiv, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen, so ist er nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen.
Tenor
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.01.2015 werden zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) abgelehnt.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiellrechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im o.g. Sinne im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann dahin stehen, ob sie hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II sind, weil ein möglicher Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. Sozialgeld gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II auch bei bestehender Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Diese Regelung findet auf die Antragsteller Anwendung. Denn ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitsuche ist nicht ersichtlich.
Die Antragsteller sind polnische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1), geboren am 00.00.1980, und die Antragstellerin zu 2), geboren am 00.00.1983, sind die in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II lebenden Eltern des Antragstellers zu 3), geboren am 23.03.2008, des Antragstellers zu 4), geboren am 26.10.2009, sowie des Antragstellers zu 5), geboren am 05.06.2012. Der Antragsteller zu 1) reiste nach eigenen Angaben (erstmalig) am 24.05.2012 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein, die Antragsteller zu 2) bis 5) folgten im Dezember 2012. Weder der Antragsteller zu 1) noch die Antragstellerin zu 2) haben seitdem eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit in der BRD ausgeübt. Im Zeitraum vom 24.05.2012 bis zum 17.08.2012 sowie vom 17.11.2012 bis zum 19.06.2013 war auf den Namen des Antragstellers zu 1) ein Gewerbe ("Trockenbau, Abbrucharbeiten") angemeldet. Seit dem 30.04.2014 ist auf den Namen des Antragstellers zu 1) erneut ein Gewerbe ("Trockenbau, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Abbrucharbeiten") angemeldet.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind zunächst nicht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) in der bis zum 08.12.2014 geltenden Fassung bzw. nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU in der ab dem 09.12.2014 geltenden Fassung freizügigkeitsberechtigt.
Aber auch auf eine Freizügigkeitsberechtigung als Selbständige nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU können sie sich nicht berufen. Danach sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niederge...