Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung einer Rechtsverletzung bei der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen
Orientierungssatz
1. Beim Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen handeln die gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB.
2. Im Vergabenachprüfungsverfahren ist allein zu prüfen, ob der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten hat. Im Hinblick auf eine geltend gemachte Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften ist der Rechtsweg in das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht eröffnet.
3. Die Berücksichtigung mehrerer Bieter ist vergaberechtlich nicht zwingend geboten. Es ist vergaberechtlich zulässig, Rahmenrabattverträge mit nur einem Vertragspartner zu schließen. Der Abschluss mit nur einem Unternehmen führt nicht zur Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung dieses Unternehmens auf den jeweils sachlich und räumlich relevanten Märkten.
4. Eine von vornherein bestehende Verpflichtung zur Loslimitierung bei der Ausschreibung besteht nicht. Nur dann, wenn die ausschreibende Krankenkasse eine Loslimitierung vornimmt, führt dies zu einer entsprechenden Selbstbindung für die Vergabe.
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 27.03.2009 (VK 3-46/09) wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen.
Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerinnen wird für notwendig erklärt.
Gründe
I.
Die Antragsstellerin und Beschwerdeführerin (AS), die u.a. nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) produziert und vertreibt, begehrt - nachdem die Antragsgegnerinnen (AG) die Zuschläge auf die Rabattverträge gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erteilt haben - die Feststellung, dass sie durch das Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt worden ist.
Die Antrags- und Beschwerdegegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung waren nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in 64 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen. Das Gebietslos 1 umfasste die AOK Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die AOK Rheinland-Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die AOK Hessen und AOK Plus (ca. 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz und AOK Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.
Gegenstand der Ausschreibung waren (zunächst) die folgenden 64 Wirkstoffe:
Alendronsäure
Alfuzosin
Allopurinol
Amiodaron
Amisulprid
Amlodipin
Azathioprin
Bisoprolol
Bisoprolol + Hydrochlorothiazid (HCT)
Captopril
Captopril + HCT
Carvedilol
Cefaclor
Cefuroxim
Ciprofloxacin
Citalopram
Clarithromycin
Diclofenac
Doxazosin
Doxepin
Enalapril
Enalapril + HCT
Felodipin
Finasterid
Furosemid
Gabapentin
Glimepirid
HCT
Ibuprofen
Isosorbiddinitrat
Isosorbidmononitrat
Itraconazol
Levodopa + Benserazid
Levodopa + Carbidopa
Lisinopril
Lisinopril + HCT
Melperon
Metformin
Metoclopramid
Metoprolol
Metoprolol + HCT
Mirtazapin
Molsidomin
Moxonidin
Nifedipin
Nitrendipin
Olanzapin
Omeprazol,
Paroxetin
Ramipril
Ramipril + HCT
Ranitidin
Risperidon
Roxithromycin
Sertralin
Simvastatin
Spironolacton
Sumatriptan
Tamsulosin
Terazosin
Torasemid
Tramadol
Trimipramin
Verapamil
Hinsichtlich des Wirkstoffs Olanzapin wurde die Ausschreibung wegen eines bestehenden Patentrechts (vergl. insoweit Bundesgerichtshof (BGH), Urteil v. 16.12.2008 X ZR 89/07) aufgehoben.
Nach den Verdingungsunterlagen hatte jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen "Rabatt-ApU" (Rabatt-Apothekenverkaufspreis) für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 - sog. Stichtag) im Sortiment hatte.
Die "Lauer-Taxe", auch ABDA-Artikelstamm oder große deutsche Spezialitätentaxe genannt, die in 14-tägigem Rhythmus aktualisiert wird, enthält die Daten aller bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten gemeldeten, in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Packungsgröße. Die jedem Fertigarzneimittel zugeordn...