Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Mindestmengen. komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus. Widerlegung der Prognose eines Krankenhausträgers. Nichtwiderlegung der Prognose eines anderen Krankenhauses. Anforderungen an die Begründung

 

Orientierungssatz

Die Widerlegung einer Mindestmengenprognose kann nur dann als begründet angesehen werden, wenn sie im Fall konkurrierender Krankenhäuser erkennen lässt, warum bei vergleichbaren Zahlen nur in einem Fall die Zurückweisung der Prognose erfolgt. Dazu müssen nicht die Daten der betroffenen Krankenhäuser im Einzelnen offengelegt werden, es ist aber erforderlich, in abstrakter Weise maßgebliche Umstände aufzuzeigen, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.03.2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerinnen tragen auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 48.750,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage der Antragstellerin gegen die Widerlegung einer Mindestmengenprognose.

Die Antragstellerin ist Trägerin des zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenen Krankenhauses in A. (D.-Krankenhaus) In diesem wurden im Jahr 2019 21, im Jahr 2020 18, im Jahr 2021 11 sowie in den letzten zwei Quartalen 2021 und den ersten zwei Quartalen 2022 zusammen 13 komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus gemäß den Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) gemäß § 136b Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenregelung, Mm-R) durchgeführt.

Mit Schreiben vom 04.08.2022/Datenlieferung vom 11.08.2022 übermittelte die Antragstellerin den Antragsgegnerinnen und Antragsgegnern (im folgenden einheitlich Antragsgegnerinnen) die Ist-Leistungszahlen der vorliegend streitigen Eingriffe der Jahre 2021 bzw. 2021/2022 und teilte mit, pandemiebedingt habe sie, wie viele andere Krankenhäuser auch, immer wieder und auch im hier maßgeblichen Leistungsbereich planbare Operationen, Aufnahmen und Eingriffe auf unbestimmte Zeit verschieben müssen. Da sie bereits über Jahre in dem maßgeblichen Leistungsbereich tätig sei und als zertifiziertes onkologisches Zentrum (Krebszentrum) über ein etabliertes Netzwerk aus qualifizierten und zertifizierten Partnern verfüge sowie in Krankenhausvergleichen vordere Plätze belege (z.B. Rang 126 FAZ Deutschlands beste Krankenhäuser vom 14.07.2022) gehe sie davon aus, dass ihre Fallzahlen im Jahr 2023 ohne COVID-19-Einschränkungen steigen würden und sie die Vorgaben der Mindestmengen im Jahr 2023 erfüllen werde. Die bestehende Qualität der onkologischen Versorgung am D.-Krankenhaus sei mit dem Feststellungsbescheid der Bezirksregierung N. vom 07.04.2022 mit dem Ausweis eines "Onkologischen Zentrums" nach GBA-Richtlinie hervorgehoben. Auch vor dem Hintergrund dieser strukturellen Neuerung gehe sie davon aus, dass sie die Vorgaben der Mindestmengen umfassend erfüllen werde.

Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 01.09.2022 hörten die Antragsgegnerinnen die Antragstellerin dazu an, dass sie aufgrund erheblicher Zweifel erwögen, deren Mindestmengenprognose zu widerlegen. Bereits anhand der vor der Corona-Pandemie durchgeführten Leistungsmenge sei festzustellen, dass die Leistungszahlen unter der ab dem Kalenderjahr 2023 maßgeblichen, deutlich höheren Anzahl von 26 Eingriffen pro Jahr lägen. Da die maßgeblichen Eingriffe aufgrund der Schwere der zugrundeliegenden Erkrankungen nicht beliebig verschiebbar seien, sei der Verweis auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht nachvollziehbar. Im Versorgungsgebiet 6 führten zudem neben der Antragstellerin nur noch das Gemeinschaftskrankenhaus und das Universitätsklinikum (A.) komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus durch. Da von allen drei Krankenhäusern zusammen für beide Zeiträume jeweils in der Summe 32 Leistungen gemeldet worden seien, sei davon auszugehen, dass aufgrund der neuen Mindestmenge von 26 ab dem Jahr 2023 ein Anbieter ausreichen werde. Insofern wäre eine Abstimmung zwischen den betroffenen Krankenhäusern, wer zukünftig die Versorgung sicherstellen solle, sinnvoll.

Die Antragstellerin erwiderte (Schreiben vom 15.09.2023), sie habe mit dem Gemeinschaftskrankenhaus A. in einem "Letter of Intent" vom gleichen Tag vereinbart, dass eine Konzentration und Bündelung der Ösophaguseingriffe in ihrem Hause stattfinde. Im Gemeinschaftskrankenhaus A. würden künftig planbare mindestmengenrelevante Eingriffe dieser Art nicht mehr stattfinden und die Zuweiser bzw. Tumorboards entsprechend informiert, damit die Versorgung ausschließlich im D.-Krankenhaus stattfinde. Das Gemeinschaftskrankenhaus, das 2018/2019 mit der Durchführung von Ösophaguseingriffen begonnen habe, habe seitdem eine positive Fallzahlentwicklung zu verzeichnen gehabt, der eine korrespondierende Fallzahlabnahme im D.-Krankenhaus e...

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