Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Aufforderung des Grundsicherungsträgers zur Rentenantragstellung nach § 12a SGB 2
Orientierungssatz
1. Die zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG erforderliche Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist.
2. Ein Rechtschutzbedürfnis besteht u. a., wenn der Erlass eines Versagungsbescheides wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten gegenüber dem Träger, gegen den vorrangige Leistungsansprüche bestehen, gemäß § 5 Abs. 3 S. 3 SGB 2 noch in Betracht kommen könnte.
3. Voraussetzung für eine Versagung oder Entziehung aufgrund der Ermächtigung des § 5 Abs. 3 S. 3 SGB 2 ist u. a. eine vorherige Antragstellung des Leistungsträgers gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 SGB 2, der seinerseits die Aufforderung nach § 12 a SGB 2 voraussetzt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.06.2021 geändert.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren ab dem 19.11.2021 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt H, C-Straße 00, Neuss, zu ihrer Vertretung beigeordnet.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, in dem sie sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen die Aufforderung des Beklagten zur Rentenantragstellung nach § 12a Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) wendet.
Die am 00.00.1988 geborene Klägerin ist alleinerziehend. Sie lebte mit ihren in den Jahren 2005 und 2007 geborenen Töchtern in einem Haushalt und stand im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten, zuletzt aufgrund Bewilligungsbescheides vom 04.10.2019, geändert durch Bescheid vom 23.11.2019, für den Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020. In der Zeit vom 18.03.2019 bis 30.04.2020 übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Sekretärin/Aushilfe im Umfang von zwölf Stunden monatlich bei ihrem Bevollmächtigten aus.
Mit Bescheid vom 30.03.2020 forderte der Beklagte die Klägerin auf, eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zu beantragen und dies bis zum 16.04.2020 nachzuweisen. Sie sei gemäß § 12a SGB II verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei der Beklagte zu der Entscheidung gekommen, die Klägerin zur Beantragung vorrangiger Leistungen aufzufordern.
Nachdem die DRV dem Beklagten mit Schreiben vom 29.04.2020 mitgeteilt hatte, dass für die Klägerin bisher kein Rentenantrag vorliege, stellte der Beklagte mit Schreiben vom 05.05.2020 gemäß § 5 Abs. 3 SGB II den Antrag selbst. Die DRV leitete daraufhin am 29.05.2020 ein formelles Rentenverfahren ein, bat den Beklagten um Einreichung der vorliegenden medizinischen Unterlagen und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.07.2020 nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) ab, da die Mitwirkungspflichten nicht erfüllt seien.
Daraufhin versagte der Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2020 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.10.2020, da die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten bei der Rentenantragstellung nicht nachgekommen sei.
Die Klägerin erhob am 17.09.2020 Widerspruch und führte zur Begründung u.a. aus, dass sie Mitwirkungspflichten gegenüber der DRV nicht verletzt habe. Es habe keinerlei Aufforderungen zur Mitwirkung gegeben. Im Übrigen habe sie aufgrund der Aufforderung des Beklagten vom 30.03.2020 beim Rentenversicherungsträger ein Antragsformular angefordert, einen Termin zum Ausfüllen pandemiebedingt aber noch nicht erhalten.
Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24.09.2021 mit, dass nicht bekannt gewesen sei, dass sie die Schreiben der DRV nicht erhalten habe, und bat um unverzüglichen Nachweis, dass sie sich dort um einen Termin bemüht oder einen formlosen Rentenantrag gestellt habe. Die Klägerin legte eine Bestätigung der DRV vom 24.09.2020 über eine Terminvereinbarung für den 28.09.2020 für eine Telefonberatung vor.
Mit Bescheiden vom 28.09.2020 bewilligte der Beklagte der Klägerin weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.10.2020 bis 30.09.2021 und hob den Bescheid vom 11.09.2020 auf.
Bereits am 24.09.2020 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 30.03.2020 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Die Voraussetzungen einer Aufforderung zur Beantragung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Beklagte habe außerdem ermessensfehlerhaft gehandelt.
Der Beklag...