Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Begriff des Allgemeinarztes. Aufsichtsbehörde. Bestimmung einer Schiedsperson zur Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung. vorbeugender einstweiliger Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Zur Auslegung des Begriffs "Allgemeinarzt".
2. Wird zur Sicherung der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB 5 bei Nichteinigung der Vertragsparteien die Einsetzung einer Schiedsperson erforderlich, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Diese hat kein Entschließungs-, sondern lediglich Auswahlermessen. Die Schiedsperson muss in der Lage sein, das Verfahren neutral und ausgewogen zu führen, um divergierende Interessen auszugleichen.
3. Bei der Auswahl der Schiedsperson ist der mit der Einführung der hausarztzentrierten Versorgung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Das Schiedsverfahren dient der raschen Sicherstellung eines flächendeckenden Angebots der hausarztzentrierten Versorgung. Daher ist es zweckmäßig, eine Schiedsperson für das einer Kassenärztlichen Vereinigungs-Region entsprechende Gebiet zu bestimmen.
4. Es bestehen keine Bedenken dagegen, für eine Mehrzahl von Schiedsverfahren nur eine Person zu bestimmen.
5. Bei der Bestimmung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a S 2 SGB 5 findet das Vergaberecht keine Anwendung.
6. Das Sozialgerichtsgesetz kennt nur nachträglichen Rechtsschutz. Nur dann, wenn das Abwarten der Verwaltungsentscheidung und die Inanspruchnahme des nachgängigen (einstweiligen) Rechtsschutzes mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, gebietet Art 19 Abs 4 GG, vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.04.2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz wegen Bestimmung einer Schiedsperson.
Mit § 73b Abs. 4 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes vom 15.12.2008 (BGBI. l, S. 2426) wurde den Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen zur Sicherstellung des Angebots der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) auferlegt, spätestens bis zum 30.06.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Sofern sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen (§ 73 Abs. 4 Satz 2 SGB V).
Der Deutsche Hausärzteverband, hierzu bevollmächtigt durch den Beigeladenen, in Kooperation mit der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG), und die Antragstellerin nahmen im ersten Halbjahr 2009 Kontakt auf, um über einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung zu verhandeln. Die Antragstellerin übermittelte dem Deutschen Hausärzteverband im Juni 2009 ein Vertragsangebot (Add-on-Vertrag). Demgegenüber übersandte dieser der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.06.2009 ein eigenes Vertragsangebot (Vollversorgungsvertrag mit der Folge von Bereinigungsverträgen) zur Vorbereitung eines bundesweiten HzV-Vertrages. Mit weiterem Schreiben des Beigeladenen vom 17.06.2009 bat dieser die Antragstellerin, ihre Bereitschaft zum Abschluss eines HzV-Vertrages auf der Grundlage eines Vollversorgungsvertrages bis zum 19.06.2009 zu bestätigen sowie einen Vorschlag für Verhandlungstermine zu unterbreiten. Hierauf erwiderte die Antragstellerin, sie sehe keine Bereitschaft des Deutschen Hausärzteverbandes bzw. des Beigeladenen zu Vertragsverhandlungen (Schreiben vom 18.06.2009). In der Folge stellte der Beigeladene gegenüber der Antragstellerin fest, dass die Verhandlungen über einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung gescheitert seien (Schreiben vom 22.06.2009). Gleichzeitig beantragte er die Einleitung eines Schiedsverfahrens und schlug Prof. Dr. L als Schiedsperson unter Fristsetzung zur Stellungnahme bis 29.06.2009 vor. Die Antragstellerin äußerte sich nicht. Sodann hat sich der Beigeladene an die Antragsgegnerin gewandt, um eine Schiedsperson bestimmen zu lassen (Schreiben vom 29.06.2009). Die Antragstellerin teilte hierauf u.a. mit, in den vorgelegten Verträgen sei die HÄVG und nicht der Beigeladene als Vertragspartner ausgewiesen gewesen (Schreiben vom 17.07.2009). Der Beigeladene versuche, die HÄVG als Vertragspartnerin durchzusetzen. Er verfolge mithin keinen keinen eigenen Anspruch, so dass sein Antrag auf Bestimmung einer Schiedsperson unzulässig sei. Darüber hinaus erfülle der Beigeladene die Anforderungen an eine Gemeinschaft i.S.d. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht. Er verfüge lediglich über eine Verhandlungs- und keine Abschlussvollmacht der von ihm vertretenen Hausärzte. Für die Beurteilung der Vertretungsquote von 50 % seien alle ...