Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Gewährung eines Mehrbedarfes für schwerbehinderte Menschen. hinreichende Erfolgsaussicht für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Sozialhilfeträgers vom Bestehen eines Mehrbedarfes
Orientierungssatz
1. Das Erfordernis einer hinreichenden Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist bereits dann erfüllt, wenn die Klage eine Rechtsfrage aufwirft, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist.
2. Wenn im laufenden Leistungsbezug nach dem Vierten Kapitel des SGB 12 erstmals ein Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 SGB 12 entsteht, handelt es sich um einen Fall der Änderung der Leistung nach § 44 Abs 1 S 2 SGB 12. Die Voraussetzungen für diese Änderung müssen deshalb, um einen höheren Leistungsanspruch zum Monatsersten entstehen zu lassen, dem Sozialhilfeträger im Sinne des § 18 Abs 1 SGB 12 "mitgeteilt" werden.
3. Die Frage, ob eine Mitteilung im Rahmen des § 44 Abs 1 S 2 SGB 12 nur dann einen höheren Sozialhilfeanspruch auslösen kann, wenn sie innerhalb der Organisation einer für diverse sozialrechtliche Angelegenheiten zuständigen Körperschaft gerade bei der konkret für Leistungen nach dem SGB 12 zuständigen Organisationseinheit vorgebracht worden ist, oder ob es bereits ausreicht, dass die zuständige Behörde - gleichviel, bei welcher Organisationseinheit - überhaupt Mitteilung erhalten hat, rechtfertigt als klärungsbedürftige Rechtsfrage die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Im Rahmen des sog. "Kenntnisgrundsatzes" des § 18 Abs 1 SGB 12 ist anerkannt, dass im Sinne des Gesetzes als "Träger der Sozialhilfe" nicht die einzelne Dienststelle, sondern die Gesamtverwaltung zu verstehen ist (sog. Grundsatz der Einheit der Verwaltung).
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgericht Duisburg vom 24.09.2010 geändert. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg Prozesskostenhilfe ab dem 09.08.2010 (Antragstellung) bewilligt und Rechtsanwältin B, E, zu ihrer Vertretung beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen nach § 30 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bereits ab dem 21.12.2009 statt, wie mit Bescheid vom 10.03.2010 von der Beklagten bewilligt, ab dem 01.03.2010.
Die Klägerin bezieht Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Am 21.12.2009 beantragte sie bei der Stadt E u.a. die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Mit Bescheid der Stadt E vom 18.02.2010 wurde der Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin ab dem 21.12.2009 neu mit 60 festgesetzt und das Merkzeichen "G" zuerkannt. Mit Schreiben vom 03.03.2010 beantragte die Klägerin sodann unter Vorlage des Bescheides vom 18.02.2010 beim Sozialamt der Beklagten die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 SGB XII.
Die Beklagte bewilligte entsprechende Mehrleistungen ab dem 01.03.2010. Den gegen den Bewilligungsbescheid vom 10.03.2010 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2010 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 25.06.2010 Klage erhoben, die sie zunächst nicht näher begründet hat. Nach einem Hinweis des Sozialgerichts auf § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XII hat sie ergänzend vorgetragen, Anspruchsgrundlage für eine rückwirkende Zahlung des Mehrbedarfs ab dem 21.12.2009 sei § 30 SGB XII i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Zur weiteren Begründung hat sie auf einen von ihr eingereichten Ausdruck aus einem Diskussionsforum Teilhabe und Prävention des Instituts für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule L verwiesen. Auf diesen Ausdruck nimmt der Senat Bezug.
Mit Beschluss vom 24.09.2010 hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es hat u.a. ausgeführt, zwar komme eine rückwirkende Gewährung des Mehrbedarfszuschlags nach § 30 Abs. 1 SGG XII in Betracht; es müsse dann jedoch der Sozialhilfeträger von der Antragstellung bei der Versorgungsverwaltung informiert worden sein. Die Klägerin habe der Beklagten jedoch nicht mitgeteilt, dass sie im September 2009 einen Antrag in ihrer Schwerbehinderungsangelegenheit gestellt habe; sie habe vielmehr erst im März 2010 den entsprechenden Bescheid vorgelegt. Eine rückwirkende Bewilligung des Mehrbedarfs scheide deshalb aus. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, eine entsprechende Antragstellung zu erahnen. Die Klägerin habe es in der Hand, die Beklagte entsprechend zu informieren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen den am 29.09.2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 20.10.2010 Beschwerde erhoben. Sie trägt vor, der Beklagten sei es bereits im Herbst 2009 bekannt gewesen, dass sie schwerbehindert sei und einen entsprechenden Antrag stellen werde. Etwa Mitte des Jahres 2009...