Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Tod des Antragstellers während des laufenden Verfahrens. Ausschluss einer rückwirkenden Bewilligung
Orientierungssatz
1. Ein Prozesskostenhilfeverfahren wird durch den Tod des Antragstellers nicht unterbrochen, wenn er im Zeitpunkt seines Todes durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war (§ 202 SGG iVm § 246 Abs 1 Halbs 1 ZPO). Eine erteilte Prozessvollmacht wirkt über den Tod hinaus fort.
2. Der Antragsteller verliert durch den Tod seine Beteiligtenfähigkeit nach § 70 Nr 1 SGG.
3. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe ist ein höchstpersönliches Recht, das mit dem Tode des berechtigten Hilfebedürftigen endet. Dementsprechend kann einem Antragsteller für die Zeit nach seinem Tod keine Prozesskostenhilfe mehr bewilligt werden.
4. Aufgrund der höchstpersönlichen Natur des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe scheidet auch eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zeit bis zum Tode des Antragstellers aus. Dies gilt unabhängig davon, ob das Prozesskostenhilfegesuch noch zu Lebzeiten des Beteiligten bewilligungsreif war und bei ordnungsgemäßer und unverzüglicher Bearbeitung noch vor seinem Tod hätte beschieden werden können.
Normenkette
ZPO § 246 Abs. 1 Hs 1, § 239 Abs. 1; SGG § 70 Nr. 1, § 73 Abs. 6 S. 7
Tenor
Die Beschwerde der Rechtsnachfolger der verstorbenen Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 29.08.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 29.08.2011, mit dem der Antrag der am 00.00.2011 verstorbenen Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die gegen die Bescheide vom 19.01.2010 und vom 26.01.2010, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.06.2010, gerichtete Klage auf - sinngemäß - die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme ungedeckter Heimpflegekosten ohne Berücksichtigung von Vermögen im Zeitraum vom 09.10.2009 bis zum 19.01.2010 abgelehnt worden ist, ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Tod der Klägerin steht einer Entscheidung über die am 19.09.2011 eingelegte Beschwerde nicht entgegen.
a) Weder das Klage- noch das Prozesskostenhilfeverfahren sind infolge des Todes der Klägerin gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 239 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen worden. Insoweit kann die Anwendbarkeit des § 239 Abs. 1 ZPO auf das vorliegende Prozesskostenhilfeverfahren ebenso dahinstehen wie der Umstand, ob der in der Hauptsache streitgegenständliche Anspruch auf Sozialhilfe, wie im Regelfall, höchstpersönlicher Natur und deshalb nicht vererbbar ist (vgl. insoweit das Urt. des Senats vom 13.09.2007 - L 9 SO 8/06 -, juris Rn. 20, sowie LSG NRW, Urt. v. 19.04.2010 - L 20 SO 44/08 -, juris Rn. 39) oder ob ein Fall des § 19 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vorliegt bzw. ein Dritter im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorgeleistet hat und der Sozialhilfeanspruch deshalb über den Tod hinaus fortbestehen kann (vgl. insoweit BVerwG, Urt. v. 05.05.1994 - 5 C 43.91 -, juris Rn. 9 ff.). Eine Unterbrechung des Rechtsstreits ist in jedem Fall deshalb nicht eingetreten, weil die Klägerin im Zeitpunkt ihres Todes durch ihre Prozessbevollmächtigte vertreten war (§ 202 SGG i.V.m. § 246 Abs. 1 1. Halbsatz ZPO). Die von der Betreuerin der Klägerin wirksam (vgl. § 1902 BGB) erteilte Prozessvollmacht wirkt gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung (SGG a.F.) bzw. § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 86 1. Halbsatz ZPO über den Tod der Klägerin hinaus.
b) Der Senat war auch nicht nach § 202 SGG i.V.m. § 246 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO verpflichtet, das Beschwerdeverfahren auszusetzen. Es kann dahinstehen, ob § 246 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO nach dessen Sinn und Zweck (vgl. hierzu Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 246 Rn. 1; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.03.2009 - 16 WF 17/09 -, juris Rn. 11) überhaupt auf das vorliegende Beschwerdeverfahren Anwendung findet. In jedem Fall hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihren zunächst ausdrücklich auch auf das Beschwerdeverfahren bezogenen Aussetzungsantrag offensichtlich nicht aufrechterhalten. So hat sie in ihren Schriftsätzen vom 03.11.2011 und vom 16.01.2012 ausdrücklich um eine Entscheidung in der Sache gebeten. Dies entspricht auch ihrer Einlassung vor dem SG. Dort hatte die Prozessbevollmächtigte die Aussetzung des Klageverfahrens beantragt, aber um eine Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor der Aussetzung gebeten.
c) Schließlich lässt auch die durch Beschluss des SG vom 21.09.2011 angeordnete Aussetzung des Hauptsacheverfahrens das Prozesskostenhilfe- und Beschwerdeverfahren unberührt. Das Prozesskostenhilfe- und damit auch das Beschwerdeverfahren ist gegenüber dem Hauptsachverfahren selbstständig (vgl. demgegenüber zum Kostenfestsetzungsverfahren OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.03.2009 - 16 WF 17/09 -, juris Rn. 11).
2. Die Beschwerde ist...