Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für einstweiligen Rechtsschutz bei Erreichbarkeit des angestrebten Zieles auf einfachere Weise
Orientierungssatz
1. Es fehlt an dem für die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich das angestrebte Ziel auf einfachere und näherliegendere Weise erreichen lässt. In der Regel ist es dem Antragsteller vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zuzumuten, Kontakt mit der Behörde aufzunehmen, sein Begehren darzulegen und die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes anzukündigen.
2. Das gilt erst recht dann, wenn der Antragsteller laufende Kontakte zu der maßgeblichen Behörde unterhält.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 06.02.2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach summarischer Prüfung hatte das einstweilige Rechtsschutzverfahren der Antragstellerinnen keine Aussicht auf Erfolg. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war unzulässig. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlte.
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt in der Regel, wenn sich das angestrebte Ziel auf einfachere und näherliegende Weise erreichen lässt. In Vornahmesachen muss sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden und dort einen Antrag auf die Leistung stellen und die normale Bearbeitungszeit abwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 26b; § 51 Rn. 16). Ausnahmsweise kann, wenn noch kein förmlicher Antrag auf die Leistung gestellt ist, bereits ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, wenn die Sache sehr eilig ist und der Antragsteller aus besonderen Gründen mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, bei der Behörde kein Gehör zu finden (Hdb SGG - Krasney V Rn. 46). In der Regel ist es dem Antragsteller zuzumuten, Kontakt mit der Behörde aufzunehmen, das Begehren darzulegen und die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes anzukündigen (LSG NRW, Beschluss vom 15.01.2009 - L 7 B 398/08 AS).
Am 12.01.2012 haben die Antragstellerinnen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig darlehensweise Grundsicherungsleistungen zu erbringen ohne Einkommen von Herrn H im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft anzurechnen. Vor Inanspruchnahme des gerichtlichen Eilrechtsschutzes war es der Antragstellerin zu 1) bzw. dem Bevollmächtigten zuzumuten, Kontakt mit der Antragsgegnerin aufzunehmen. Der Senat weist insofern zunächst darauf hin, dass die Antragstellerin zu 1) in der Zeitspanne zwischen Aushändigung des Aufhebungsbescheides vom 08.11.2011 mehrmals bei der Antragsgegnerin vorgesprochen hat und es insoweit möglich und notwendig, dass sie auf das Begehren, Grundsicherung ab November 2011 zu erhalten, hinweist und im Falle einer Nichtbescheidung die Beantragung von Eilrechtsschutz ankündigt. Dann hätte für die Antragsgegnerin die Möglichkeit bestanden, die Antragstellerin zu 1) nochmals darüber aufzuklären, dass unabhängig von dem Widerspruchsverfahren gegen den (Aufhebungs)Bescheid vom 08.11.2011 ein Fortzahlungsantrag für die Zeit ab Dezember 2011 - wie im Schreiben der Antragsgegnerin vom 05.10.2011 dargelegt - gestellt werden muss.
Der Hinweis der Antragstellerinnen auf die Rechtsprechung des BSG zum Streitgegenstand und zur Einbeziehung von Folgebescheiden greift nicht (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R). Der Sachverhalt ist nicht vergleichbar. Entgegen des Vortrags der Antragsteller könnte der Hinweis vom 05.10.2011 nur dann von dem Aufhebungsbescheid vom 08.11.2011 als überholt angesehen werden, wenn der Antragsgegner in diesem Bescheid dazu Ausführungen gemacht hätte.
Unabhängig von der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren besteht Anlass für den Antragsgegner zu überprüfen, ob nicht bereits in dem Anfang Dezember 2011 eingereichten Vordruck "VE" und dem Antrag auf Ausstellung eines Bildungsgutscheins vom 16.01.2012 eine vor dem 24.01.2012 liegende Antragstellung auf Grundsicherung zu sehen ist. Dieser Antrag wäre dann noch zu bescheiden.
Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 SGG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Fundstellen