Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. selbstbeschaffte Mammareduktionsplastik. Vorliegen einer leistungsbegründenden Krankheit. Entstellung. psychisches Leiden

 

Orientierungssatz

1. Eine leistungsbegründende Krankheit zur Begründung eines Leistungs- bzw Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten gegen die Krankenkasse liegt nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt. Ersteres liegt bei einer weiblichen Versicherten nicht vor, wenn eine Brust größer ist als die andere.

2. Für die Annahme einer Entstellung muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Die körperlichen Auffälligkeiten müssen so ausgeprägt sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung bemerkbar machen und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führen.

3. Bestehende psychische Leiden können nur mit Mitteln der Psychiatrie, nicht aber mittels einer Brustverkleinerungsoperation behandelt werden.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.08.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch in zweiter Instanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Mammareduktionsplastik links in Höhe von 1.500,26 EUR.

Die am 00.00.1970 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Im September 2011 wurde ihr wegen eines Mammakarzinoms die rechte Brust entfernt. Nach einer Chemotherapie und Bestrahlung erfolgte eine Rekonstruktion der rechten Brust. Am 13.01.2014 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Angleichungsoperation der linken Brust unter Vorlage eines Arztbriefes von Prof. Dr. B, Chefarzt der Klinik für plastische und ästhetische Chirurgie T-Kliniken E GmbH, vom 06.01.2014, demzufolge nunmehr eine Volumenungleichheit bestehe. Die linke Brust sei größer als die rechte und daher werde eine angleichende Mammareduktion der linken Seite empfohlen.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Nach körperlicher Untersuchung am 29.01.2014 gelangte dieser zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine weitgehende Volumengleichheit bei einer Formdifferenz bestehe. Im getragenen BH zeige sich eine symmetrische Dekolletélinie. Es liege keine medizinische Indikation für eine Korrektur der gesunden Seite vor. Eine Kostenübernahme der angleichenden Operation links werde daher nicht empfohlen. Unter Bezugnahme auf diese Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.01.2014 den Antrag auf die angleichende Mammareduktionsplastik der linken Seite ab. Es handele sich bei der geplanten Operation nicht um die Behandlung einer Krankheit.

Dagegen erhob die Klägerin am 16.02.2014 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass die Operation der linken Brust letztlich nur ein Teilstück der Brustrekonstruktion rechts sei. Zudem läge bei ihr eine erhebliche psychische Belastung durch die ungleichen Brüste vor. Zur Stützung ihres Vorbringens legte sie einen Bericht ihrer behandelnden Frauenärztin T vom 13.02.2014 vor. Diese vertrat die Auffassung, dass die Nichtdurchführung der Brustangleichung zu zahlreichen medizinischen Problemen führen könne, z.B. zu chronischen Rückenbeschwerden und Muskelverspannungen, aber auch zu psychischen Beeinträchtigungen. Weiter legte sie eine Bescheinigung der Heilpraktikerin für Psychotherapie T1, Diakonisches Werk des evangelischen Kirchenkreises T, vom 06.02.2014 vor. Danach nutzt die Klägerin seit November 2012 die dort angebotenen therapeutischen Beratungsgespräche. Anlass für die Beratung sei die starke psychische Belastung durch die Brustkrebserkrankung und die Trennung von ihrem Mann gewesen. Sie leide unter depressiven Stimmungen und vermindertem Selbstwertgefühl. Die verbleibende beträchtliche Veränderung des Gesamtbildes der Brust behindere die Entwicklung einer positiven Perspektive für die psychische Gesundung sehr, weil sie sich in ihrer weiblichen Identität stark traumatisiert fühle.

Der erneut von der Beklagten eingeschaltete MDK empfahl in seinen Stellungnahmen vom 14.03. und 28.04.2014 nicht die Kostenübernahme für die begehrte Angleichungsoperation. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten Bezug genommen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK zurück. Es liege kein körperlich behandlungsbedürftiger Befund vor und somit auch keine leistungsauslösende Krankheit.

Die Klägerin hat am 22.07.2014 Klage erhoben und zur Begründung auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen Bezug genommen. Am 01.09.2014 hat sie die angleichende Bruststraffung links durch Prof. Dr. B vornehmen lassen. Hierfür hat sie Kosten in Höhe von 1.500,26 EUR getragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die von ihr vorgelegte Rechnung vom 31.10.2014 Bezug genommen.

Die Kläger...

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