Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs. Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Kostenübernahme für einen Schulbegleiter zur Teilnahme eines behinderten Kindes am Nachmittagsprogramm einer Offenen Ganztagsschule. Erforderlichkeit. Folgenabwägung

 

Orientierungssatz

1. Die Offene Ganztagsschule (OGS) gehört nicht zum verpflichtenden Umfang des Schulbesuchs. Sie ist vielmehr ein schulisches Angebot, welches freiwillig wahrgenommen werden kann (vgl § 9 Abs 3 S 1 SchulG NW 2005 - "außerunterrichtliche Angebote"). Dann ist aber im Grundsatz davon auszugehen, dass das für den Schulbesuch maßgebliche Bildungsziel auch ohne Inanspruchnahme der OGS erreicht werden kann.

2. Die Erforderlichkeit einer Teilnahme an der am Nachmittag angebotenen Hausaufgabenbetreuung wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn die Betreuung im häuslich-familiären Bereich aus zwingenden (insbesondere pädagogischen) Gründen nicht in ähnlicher Weise möglich wäre.

3. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für einen Schulbegleiter zum ganztägigen Besuch einer OGS durch ein geistig behindertes Kind zu versagen, wenn im Umfang der Schulpflicht die Kosten der Schulbegleitung vom Sozialhilfeträger in vollem Umfang getragen werden und nicht konkret dargelegt ist, dass darüber hinaus die Begleitung des Kindes nach Ende der eigentlichen Unterrichtszeit nicht möglich ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 22.10.2013 geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme weiterer Kosten für die Inanspruchnahme einer Begleitperson (Integrationshelfer) im Rahmen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).

Bei dem am 00.00.2006 geborenen Antragsteller besteht ein sog. Down-Syndrom mit entsprechenden Folgeerkrankungen (insb. Sprachentwicklungsstörung, Schalleitungsstörung beidseits). Das Versorgungsamt erkannte ihm seit Januar 2007 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 und die Merkzeichen "G" und "H" zu. In der Gesetzlichen Pflegeversicherung ist er seit Februar 2011 der Pflegestufe II zugeordnet; das monatliche Pflegegeld beträgt 550,00 EUR.

Der Antragsteller wohnt mit seinen Eltern in einer Mietwohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin. Sein Vater ist Programmierer und als geschäftsführender Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH selbständig tätig. Die Mutter des Antragstellers ist in diesem Unternehmen im Rahmen eines sog. Minijobs berufstätig.

Der Antragsteller erhielt zur Förderung seiner Entwicklung von 2007 bis 2010 Leistungen der Frühförderung. Daneben bzw. anschließend wurden therapeutische Leistungen in Form von Logopädie, Physiotherapie und Motopädie erbracht. Seit August 2008 bis zum Sommer 2013 besuchte der Antragsteller einen Regelkindergarten als "Integrationskind". Außerdem ging er in die Musikschule und zum Kindertanzen. Aktuell besucht er noch einen Schwimmkurs.

Mit Bescheid vom 02.05.2013 stellte das Schulamt für die Stadt C einen sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem vorrangigen Schwerpunkt geistige Entwicklung und dem weiteren Schwerpunkt Sprache fest. Der Antragsteller solle ab dem 01.08.2013 eine allgemeine Schule mit gemeinsamem Unterricht oder - falls die Aufnahme in eine allgemeine Schule scheitere - eine Förderschule mit dem genannten vorrangigen Förderschwerpunkt besuchen. Das Schulamt empfahl eine Anmeldung an der F-Grundschule, welche in C etwa sechs Kilometer von der Wohnung des Antragstellers entfernt liegt. Die Eltern des Antragstellers könnten diesen jedoch auch an einer anderen Schule mit gemeinsamem Unterricht bzw. einer entsprechenden Förderschule anmelden.

Im August 2013 wurde der Antragsteller als "Inklusionskind" in die F-Grundschule in C eingeschult. Diese Schule wird von etwa 300 Kindern besucht; an ihr unterrichten 21 Lehrkräfte (davon 17 für Grundschulpädagogik sowie vier für Sonderschulpädagogik). Der Unterricht für den Antragsteller findet (einschließlich Pausen) montags, donnerstags und freitags zwischen 08.00 und 12.00 Uhr, dienstags von 08.00 bis 14.00 Uhr und mittwochs von 08.00 bis 13.00 Uhr statt. Die Schule bietet neben dem regulären Unterricht eine sog. Offene Ganztagsschule (OGS) an. Nach den Angaben auf der Internetpräsenz der Schule (vgl. http://www.Fschule-C.net/pages/ startseite.php - abgerufen am 10.01.2014) ist die OGS ein freiwillig nutzbares Ganztagsangebot in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt. Sie wird durch Elternbeiträge sowie Zuschüsse des Landes und der Antragsgegnerin finanziert. Das "OGS-Team" besteht aus vier Gruppenleit...

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