Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Fahrkosten zu der für einen Hilfebedürftigen erforderlichen Substitutionsbehandlung durch den Grundsicherungsträger als unabweisbarer Bedarf
Orientierungssatz
1. Prozesskostenhilfe ist u. a. bei einer streitentscheidenden ungeklärten Rechtsfrage zu bewilligen.
2. Ob Fahrkosten zur Durchführung einer Methadonbehandlung als zusätzlicher Bedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB 2 vom Träger der Grundsicherung zu übernehmen sind, ist nicht geklärt. Nach der Entscheidung des BSG vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 6/13 R kann Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung entstehen, wenn Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung aus dem Leistungskatalog der Krankenversicherung ausgeschlossen sind.
3. Ein unabweisbarer Bedarf i. S. von § 21 Abs. 6 S. 2 SGB 2 kann dann vorliegen, wenn er weder durch Einsparungsmöglichkeiten des Hilfebedürftigen, noch durch Zuwendungen Dritter noch durch Leistungen eines Versicherungsträgers gedeckt ist. Ist diese Frage streitentscheidend, so ist bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.09.2015 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L, N, beigeordnet.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, mit dem er im Wege des Überprüfungsverfahrens gem. §§ 40 Abs. 1 SGB II, 44 SGB X die Bewilligung von höheren Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten für Fahrten zu einer Methadon-Substitutionsbehandlung erstrebt.
Der 1969 geborene Kläger wohnt in N. Er ist suchtkrank und bezieht seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 14.03.2012 beantragte er beim Beklagten die Übernahme von Kosten iHv 68,05 EUR monatlich für seine täglichen Fahrten zur Praxis Dr. U, H, zur Methadon-Substitutionsgabe. Er fügte eine ärztliche Bescheinigung von Dr. U vom 11.02.2012 bei, wonach das Aufsuchen der suchtmedizinischen Schwerpunktpraxis in H aus therapeutischen Gründen erforderlich sei. Ebenfalls beigefügt war ein Bescheid der AOK Rheinland/Hamburg vom 28.02.2012 über die Ablehnung der Übernahme der Fahrtkostenerstattung.
Mit Bescheid vom 16.03.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Fahrkosten zur Substitutionsbehandlung seien in der Regelleistung enthalten. Im Widerspruchsverfahren gegen diese Entscheidung holte der Beklagte eine Stellungnahme des Gesundheitsamts der Stadt N vom 14.06.2012 ein, wonach in N ausreichend Substitutionsplätze zur Verfügung stünden. Mit Bescheid vom 29.06.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Bescheiden vom 16.10.2012, 24.11.2012, 08.07.2013, 07.10.2013, 21.10.2013, 23.11.2013 und 23.04.2014 bewilligte der Beklagte bestandskräftig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen der Fahrkosten zur Substitutionsbehandlung.
Im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Sozialgericht Düsseldorf im Verfahren S 3 AS 2456/12 beantragte der Kläger am 30.10.2014 die "Überprüfung aller bestandskräftigen Bescheide hinsichtlich der Fahrtkosten, in denen die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist". Er erläuterte, weshalb er nach seiner Meinung die Substitutionsbehandlung erfolgreicher bei Dr. U in H durchführen konnte und legte Fahrkostennachweise vor.
Mit Bescheid vom 06.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2015 lehnte der Beklagte die teilweise Rücknahme der Leistungsbescheide und Bewilligung des beantragten Mehrbedarfs ab. Die Fahrkosten seien durch den Regelbedarf bereits abgedeckt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 07.08.2015 Klage erhoben. Er begehrt eine monatliche Beihilfe für Fahrkosten iHv monatlich 70,30 EUR (Februar 2013 bis August 2013 und Oktober 2013 bis Dezember 2013) bzw. 72,90 (März 2014 bis Mai 2014 und Juli 2014 bis November 2014), abzüglich der in der Regelleistung enthaltenen Kosten iHv 6,3% des Regelbedarfs.
Mit Beschluss vom 15.09.2015 hat das Sozialgericht die beantragte Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es sei gerichtsbekannt, dass auch in N Methadonbehandlungen durchgeführt würden. Außerdem sei durch die "obergerichtliche Rechtsprechung" geklärt, dass Aufwendungen für Fahrten, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, auch nicht vom Grundsicherungsträger zu erstatten seien.
Gegen diese am 28.09.2015 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 30.09.2015 erhobene Beschwerde des Klägers. In N gebe es für Substitutionsbehandlungen lange Wartezeiten. Außerdem werde in N von keinem "Substitutionsarzt" eine Psychoedukation angeboten, die von Dr. U in H durchgeführt werde. Zudem sei ihm ein Wechsel des Therapeuten nicht zumutbar.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren und Beiordnung von Recht...