Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Übernahme der Praxis eines Facharztes für Chirurgie durch einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. berufliche Eignung. Fachidentität. bzw Fachgebietsidentität des ärztlichen Weiterbildungsrechts
Orientierungssatz
1. Kriterien für eine nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Auswahlentscheidung sind die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit (§ 103 Abs 4 S 4 SGB 5). Diese Kriterien sind nicht abschließend. Die Zulassungsgremien müssen sicherstellen, dass "die" Praxis fortgeführt wird bzw fortgeführt werden kann. Deswegen ist die berufliche Eignung bezogen auf den zu besetzenden Vertragsarztsitz zu prüfen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.11.2005 - L 10 KA 29/05). Vor diesem Hintergrund ist bei einer Praxisnachfolge zu klären, ob der Praxisübernehmer in der Lage ist, die Praxis im Wesentlichen fortzuführen, also den Teil der Sicherstellung der Versorgung gewährleisten kann, den zuvor der die Praxis abgebende Leistungserbringer erbracht hat (fachliche Identität, hier bejaht für die Zulassung eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie als Praxisnachfolger eines Facharztes für Chirurgie).
2. Die Begrifflichkeit "Gebiet" in § 4 Abs 7 Bedarfsplanungs-Richtlinie (juris: ÄBedarfsplRL) knüpft an weiterbildungsrechtliche Kriterien und die dortige Differenzierung in Gebiet, Facharzt- und Schwerpunktkompetenz an.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht die sofortige Vollziehung seines Beschlusses vom 08.10.2008 angeordnet hat. Das Hauptsacheverfahren ist beim Sozialgericht (SG) Köln zum Az. S 26 KA 20/08 anhängig.
Der im Januar 1940 geborene Facharzt für Chirurgie M (Beigeladener zu 7) war für den Vertragsarztsitz L, An der B, vom 20.02.1995 bis 31.03.2008 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Landesverband Rheinland der gewerblichen Berufsgenossenschaften hat ihn mit Bescheid vom 18.01.1995 mit Wirkung ab dem 01.02.1995 zum Durchgangsarzt (D-Arzt) bestellt. In dieser Funktion war der Beigeladene zu 7) bis zum 31.03.2008 tätig. Mit Schreiben vom 15.10.2007 beantragte er die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes. Hierauf bewarb sich der Beigeladene zu 8), der seit 18.06.2008 als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in das Arztregister eingetragen ist.
Durch Beschluss vom 18.06.2008 ließ der Zulassungsausschuss für Ärzte L1 den Beigeladenen zu 8) als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in L, An der B, mit Wirkung vom 01.08.2008 zur vertragsärztlichen Versorgung zu. Der Beigeladene zu 7) sei Facharzt für Chirurgie. Er verfüge zwar nicht über den Schwerpunkt Unfallchirurgie, besitze aber die Genehmigung als D-Arzt. Diese Tätigkeit entspreche der eines Unfallchirurgen. Daher habe die Praxis des Beigeladenen zu 7) an den Beigeladenen zu 8) übergeben werden können.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Beigeladene zu 7) habe nicht über den Schwerpunkt Unfallchirurgie verfügt. Deswegen könne der Beigeladene zu 8) als Orthopäde und Unfallchirurg den bestehenden Patientenstamm der chirurgisch ausgerichteten Praxis des Beigeladenen zu 7) nicht im Rahmen der Praxisnachfolge weiter versorgen.
Der Beigeladene zu 7) hat vorgetragen, er habe seit 1995 die Versorgung der Patienten für den ländlichen Raum K/O neu aufgebaut. In seiner Praxis seien frische Unfallverletzungen jeder Art und auch viele akut orthopädisch erkrankte Patienten vorherrschend gewesen. Zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Versorgung in der Region sei die Zulassung des Beigeladenen zu 8) geboten. Allein dieser habe sich als ernsthafter Bewerber erwiesen.
Der Beigeladene zu 8) hat vorgetragen, der Beigeladene zu 7) sei eindeutig mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie tätig gewesen. Im übrigen sei es nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte (BedarfsplanungsRL-Ä) nicht entscheidend, ob der abgebende Arzt Chirurg mit der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie gewesen sei; maßgebend sei allein, ob der Bewerber ganz oder teilweise in einem Gebiet tätig werde, das mit dem Gebiet des abgebenden Arztes übereinstimme.
Mit Beschluss 08.10.2008 hat der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung angeordnet. Der Beigeladene zu 7) habe in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass ein Schwerpunkt seiner ärztlichen Tätigkeit unfallchirurgische Maßnahmen gewesen seien. Hierfür stünden in seiner Praxis geeignete Räumlichkeiten und Einrichtungen zur Verfügung, die der Beigeladene zu 8) übernehmen könne. Ausweislich der Frequenzübersichten für die Quartale II/2007 bis I/2008 seien bei den speziellen Leistungen ausnahmslos solche aus dem Kapitel der ambulanten Operation abgerechnet worden. Ferner seien im erheblichen Umfang Leistungen der diagnostischen Radiologie vergütet worden. Der Beigeladene zu 8) habe glaubhaft dargelegt, dass er dasselbe Leistungsspektrum wie der Beigeladene zu 7) anbieten wolle. Die zur Durchführung und Abrechnung ambulanter ...