Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung bei einer Geld-, Dienst- oder Sachleistung
Orientierungssatz
1. Bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung zum Gegenstand hat, ist die Berufung nur dann zulassungsfrei, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750.- €. übersteigt oder wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
2. Maßgeblich dafür ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels. Eine nachträgliche Klageerweiterung in der Rechtsmittelinstanz bewirkt deshalb die Statthaftigkeit der Berufung nicht.
3. Bei der Bestimmung des Jahreszeitraumes i. S. des § 144 Abs. 1 S. 2 SGG sind nur die Tage bzw. Monate, für die Leistungen begehrt werden, zu berücksichtigen und nicht die Bewilligungszeiträume, in die diese Tage bzw. Monate fallen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.06.2010 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II).
Die Beklagte gewährt dem Kläger laufend Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige nach dem SGB II. Mit seiner am 21.07.2008 vor dem Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung weiterer monatlicher Leistungen von 50,00 EUR für seine Stromkosten sowie die Auszahlung bewilligter Leistungen für die Leistungszeiträume von November 2007 bis April 2009 bezüglich der Monate Januar 2008 sowie April bis Dezember 2008 und Januar 2009 in Höhe von 349,12 EUR (ursprünglich 582,76 EUR) begehrt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 11.06.2008 für den Monat April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2008 sowie des weiteren Bescheides vom 11.06.2008 für den Zeitraum 01.05.2008 bis 30.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2008 zu verurteilen, ihm weitere Leistungen in Höhe von 50,00 EUR mtl. für Haushaltstrom zu gewähren und ihm für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.04.2009 weitere Leistungen in Höhe von 349,12 EUR auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, dass die bewilligten Leistungen im vollen Umfang ausgezahlt worden, teilweise aber direkt an den Stromversorger geflossen seien. Stromkosten könnten nicht zusätzlich zu den Regelleistungen gewährt werden.
Mit Urteil vom 22.06.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 12.07.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.07.2010 Berufung eingelegt. Er macht nunmehr die Übernahme der Stromkosten für die Zeit vom 01.04.2008 bis 01.11.2010 in Höhe von mtl. zusätzlich 30,26 EUR, gesamt 905,80 EUR, geltend und verlangt die Auskehr der rückständigen Leistungen. Zur Begründung verweist er auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 (1 BvL 1, 3, 4/09) über die Verfassungswidrigkeit der Regelsätze.
II. Der Senat macht nach Hinweis an die Beteiligten von der Möglichkeit des § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gebrauch, die Berufung im Beschlussverfahren als unzulässig zu verwerfen, da diese nicht statthaft ist und keine Gründe ersichtlich sind, die eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung gebieten könnten.
Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGG ist die Berufung nur zulassungsfrei, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR übersteigt oder wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Beides ist hier nicht der Fall.
Die Beschwer des Klägers durch das angefochtene Urteil beträgt lediglich 499,12 EUR. Maßgeblich ist insoweit die materielle Beschwer des Rechtsmittelführers, d. h. die nachteiligen Auswirkungen des Urteilsausspruchs auf seine Rechtsposition (BSG Urt. v. 17.11.2005 - B 11 a/11 AL 57/04 R = SozR 4-1500 § 96 Rn 14; Frehse in Jansen, Kommentar zum SGG, 3. Aufl., § 144 Rn 8). Bei Zahlungsansprüchen, wie sie hier im Streit stehen, ist ausschlaggebend der unmittelbar streitige Geldbetrag, zu dessen Leistung der Klagegegner verurteilt werden soll (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl., § 144 Rn 15). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG aber lediglich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 50,00 EUR Stromkosten für die Monate April bis Juni 2008 sowie zzgl. eines Betrages von 349,12 EUR zu verurteilen, woraus sich ein Gesamtbetrag von 499,12 EUR errechnet.
Soweit der Kläger zunächst mit seiner Klage schriftsätzlich höhere Leistungen begehrt hatte, hat er die Klage durch die Beschränkung seines Antrags vor dem SG in der mündlichen Verhandlung teilweise konkludent zurückgenommen. Über diese höheren Leistungen hat das S...