Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Sozialhilfe. Leistungsgewährung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12. Folgenabwägung
Orientierungssatz
Auch wenn man der Auffassung des BSG (vgl ua BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 43) nicht folgt und bei einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 12 auch einen Leistungsanspruch nach dem SGB 12 verneint, ist es im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes dann jedenfalls auf der Grundlage einer Folgenabwägung geboten, den beigeladenen Sozialhilfeträger zu verpflichten, vorläufige Leistungen nach dem SGB 12 zu erbringen.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; SGB XII § 23 Abs. 1 S. 3, § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 177; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
Tenor
Die Beschlüsse des Sozialgerichts Dortmund vom 25.11.2015 werden geändert. Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit vom 30.10.2015 bis zum 30.04.2016, längstens bis zum bestandskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, in Höhe von 693,00 EUR monatlich zu zahlen.
Die Beigeladene trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Dem Antragsteller wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Verfahren im ersten Rechtszug ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt L, E, beigeordnet. Dem Antragsteller wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt L, E, beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der im Jahr 1973 geborene Antragsteller ist griechischer Staatsangehöriger. Er bewohnt seit März 2014 eine 42 qm große Wohnung zu einem monatlichen Mietzins von 294 EUR inkl. Nebenkosten. Nach Durchführung mehrerer einstweiliger Rechtsschutzverfahren bezog er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bis einschließlich September 2015 in Höhe des Regelbedarfs.
Den Weiterbewilligungsantrag vom 10.09.2015 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.09.2015, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 30.11.2015 mit der Begründung ab, der Antragsteller sei gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da er sich allein zum Zweck der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Über die hiergegen am 04.01.2016 beim Sozialgericht Dortmund (SG) erhobene Klage S 33 AS 18/16 ist noch nicht entschieden.
Am 30.10.2015 hat der Antragsteller beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und Prozesskostenhilfe beantragt. Die Anträge hat das Gericht mit Beschlüssen vom 25.11.2015 abgelehnt. Der Antragsteller habe keinen in der Hauptsache durchsetzbaren Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II glaubhaft gemacht. Er unterfalle dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländerinnen und Ausländer nicht berechtigt seien, Leistungen nach dem SGB II zu beziehen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Der Antragsteller halte sich nur zum Zwecke der Arbeitssuche auf, ein anderweitiges Aufenthaltsrecht bestehe nicht. An der Rechtmäßigkeit des Leistungsausschlusses beständen nach der Entscheidung des EuGH vom 15.09.2015 in der Sache Alimanovic keine Bedenken mehr.
Mit seiner Beschwerde vom 18.12.2015 macht der Antragsteller geltend, die angefochtene Entscheidung stehe nicht in Einklang mit den aktuellen Urteilen des BSG vom 03.12.2015 (B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R). Bereits erstinstanzlich habe er mit einem Hilfsantrag die Beiladung der Stadt E - Sozialamt - und ihre Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII im einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Auch wenn ihm keine Leistungen nach dem SGB II zustünden, so sei er doch leistungsberechtigt nach dem SGB XII.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.11.2015 zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
hilfsweise die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB XII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der mit Beschluss vom 15.02.2016 nach § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beigeladene Sozialhilfeträger beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene tritt der Rechtsprechung des BSG entgegen; der Zugang für erwerbsfähige EU-Bürger zum SGB XII sei durch § 21 SGB XII ausgeschlossen.
Hinsichtlich der weite...