Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Neu-EU-Bürger
Orientierungssatz
1. Ausländer und deren Familienangehörige sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen, wenn sich deren Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
2. Ein Zugang zu den Leistungen des SGB 2 wird primärrechtlich aufgrund der Unionsbürgerschaft i.V.m. dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot im Aufnahmestaat gewährleistet. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller einen gleichen Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt hat wie der deutsche Arbeitsuchende. Arbeitsuchende aus Rumänien und Bulgarien erfüllen diese Voraussetzungen aber nur, wenn sie im Besitz einer Arbeitsgenehmigung-EU sind.
3. Nachrangig zugangsberechtigte Arbeitnehmer benötigen eine Arbeitsgenehmigung nach § 284 SGB 3. Eine solche wird nur erteilt, wenn für die benötigte Arbeit kein bevorrechtigter Arbeitnehmer gefunden werden kann.
4. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Vorschriften ist im Hinblick auf die eingeschränkte Freizügigkeit der Neu-EU-Bürger unionsrechtlich gerechtfertigt. Mit der eingeschränkten Freizügigkeit ist ein sachlicher Grund für den Leistungsausschluss gegeben.
5. Der Leistungsausschluss ist europarechtskonform, jedenfalls solange keine eindeutigen entgegenstehenden Hinweise in der Judikative des BSG oder des BVerfG bzw. des EuGH gegeben werden. Bisher ist das nicht der Fall.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 26.03.2011 geändert. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L aus M bewilligt. Die Beschwerde bezüglich der Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 09.06.2011 (Antragstellung) Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L aus M beigeordnet.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerin sind hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe begründet, bezüglich des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05-, NVwZ 2005, S. 927).
Die Auffassung des SG, es fehle dem Antrag der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie sich vor der Antragstellung beim SG nicht erfolglos an die zuständige Behörde gewandt habe, wird nicht geteilt. Denn der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin wandte sich unter dem 22.11.2010 an den Antragsgegner zwecks Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt eine Vollmacht dem Antragsgegner nicht vorgelegen hat, ist dieser Mangel spätestens durch die Vorlage einer Vollmacht im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 26.01.2011 geheilt worden. Denn diese Vollmacht wurde auch zur außergerichtlichen Vertretung erteilt.
Gleichwohl hat die Beschwerde bezüglich der Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat weder gegenüber dem Antragsgegner noch gegenüber der Beigeladenen einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen. Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.
Der Antragstellerin, die bulgarische Staatsangehörige ist, steht kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu. Denn die Antragstellerin ist ungeachtet der Frage, ob sie die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt, jedenfalls gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach sind Ausländer und ihre Familienangehörigen von den Leistungen ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus d...