Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Asylbewerberleistung. Analogleistung. Leistungsausschluss für Auszubildende. abstrakte Förderungsfähigkeit. Vorliegen einer besonderen Härte. Rechtsschutzmöglichkeiten. Entsprechende Anwendung des SGB XII. Berufskolleg. Verfassungsmäßigkeit. Wertungswidersprüche
Leitsatz (amtlich)
1. Leistungsbezieher nach § 2 AsylbLG, die eine dem Grunde nach dem BAföG förderungsfähige Ausbildung besuchen, sind nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm § 22 Abs 1 S 1 SGB XII von Leistungen nach dem AsylbLG ausgeschlossen, auch wenn die Ausbildung tatsächlich nicht nach dem BAföG gefördert wird.
2. Eine besondere Härte iS von § 2 Abs 1 AsylbLG iVm 22 Abs 1 S 2 SGB XII lässt sich in einem solchen Fall - abweichend von der Weisungs- und Erlasslage einiger Bundesländer - nicht grundsätzlich annehmen. Die integrations- oder bildungspolitische Zweckmäßigkeit des gesetzlichen Leistungsausschlusses ist im sozialgerichtlichen Verfahren unbeachtlich, wenn der Leistungsausschluss sich klar aus der gesetzlichen Regelung ergibt.
3. Im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kommt eine Aussetzung und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG nicht in Betracht; dem Antragsteller verbleibt insofern nur eine Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht und ggf der dortige Antrag auf eine einstweilige Regelung.
4. Fragen der Recht- oder Verfassungsmäßigkeit eines Ausschlusses von Leistungen an den Antragsteller (auch) nach dem BAföG oder SGB III sind ggf in Verfahren gegen die dort zuständigen Leistungsträger zu klären.
Normenkette
SGB XII § 22 Abs. 1; AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 3; BAföG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.12.2017 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 26.01.2018 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T, E, beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes Leistungen nach dem AsylbLG.
Der (fiktiv) im Januar 1997 geborene Antragsteller besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit. In seinem Heimatland war er nach eigenen Angaben zuletzt als Elektriker tätig. Im Juni 2015 reiste er in das Bundesgebiet ein und wurde der Antragsgegnerin zugewiesen. Sein Asylantrag blieb bislang erfolglos. Gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 05.01.2017, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, ist bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein Klageverfahren (Az.: 5a K 803/17.A) anhängig. Der Antragsteller ist im Besitz einer Aufenthaltsgestattung, die zuletzt bis zum 01.04.2018 befristet wurde.
Der Antragsteller erhielt von der Antragsgegnerin seit Oktober 2015 zunächst Leistungen nach § 3 AsylbLG. Ab dem 24.08.2016 besuchte er eine Abendrealschule, für welche die Antragsgegnerin eine monatliche Beihilfe gewährte. Seit Dezember 2016 erhielt der Antragsteller Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG sog. Analogleistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII, die jeweils monatlich in schriftlicher Form oder konkludent durch bloße Auszahlung bewilligt wurden.
Seit dem 30.08.2017 absolviert der Antragsteller eine einjährige Vorbereitungsklasse des Berufskollegs X, um einen sog. "Sek-I-Abschluss" (= Hauptschulabschluss Klasse 9) sowie Berufsorientierung zu erwerben. Daraufhin stellte die Antragsgegnerin die Analogleistungen durch Bescheid vom 21.11.2017 (rückwirkend) zum 30.08.2017 ein und hörte den Antragsteller zu der beabsichtigten Rückforderung überzahlter Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG vom 30.08. bis zum 30.11.2017 an. Leistungen nach dem AsylbLG seien seit dem Besuch der einjährigen Vorbereitungsklasse nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB XII, der gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG entsprechende Anwendung finde, ausgeschlossen; denn der Antragsteller habe eine im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähige Berufsausbildung aufgenommen (vgl. § 11 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG). Gründe für einen besonderen Härtefall im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII habe der Antragsteller weder vorgetragen, noch seien solche ersichtlich. Die Antragsgegnerin sei an die gesetzlichen Regelungen gebunden. Es obliege allein dem Gesetzgeber, diese ggf. zu ändern.
Dagegen legte der Antragsteller am 08.12.2017 Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden wurde. Im Rahmen seiner Anhörung erklärte er, Leistungen nach dem BAföG mangels Kenntnis derartiger Leistungen bislang nicht beantragt zu haben.
Ferner hat der Antragsteller am 08.12.2017 bei dem Sozialgericht Dortmund um Eilrechtsschutz nachgesucht und vorläufige Leistungen nach dem AsylbLG ab dem 01.09.2017 begehrt. Es sei schon zweifelhaft, ob der Ausschlussgrund des § 22 SGB XII im Rahmen des Bezugs v...