Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Notdienst. Rechtsschutzbedürfnis. Pflicht des Vertragsarztes zur Teilnahme am Notfalldienst unter Berücksichtigung des Betreibens einer Zweigpraxis. Ort der Niederlassung. Verbesserung der Versorgung. Berufsfreiheit. Gleichbehandlungsgebot. Gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Abwägung. Besonderes Interesse. Patientenschutz. Zeitablauf. Fortsetzungsfeststellungsantrag. Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Streitwert
Orientierungssatz
1. Ist das Begehren des Antragstellers auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz durch Zeitablauf entfallen, so ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig bzw die gegen den ablehnenden Beschluss des SG erhobene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen; eine Änderung des Verpflichtungsantrags in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unzulässig (vgl LSG Essen vom 15.12.2010 - L 7 AS 1842/10 B ER).
2. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus, mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs 3 S 1 SGG vorrangig (std Rechtsprechung des Senats vgl zuletzt vom 7.9.2011 - L 11 KA 93/11 B ER).
3. Der Vertragsarzt muss den ärztlichen Notfalldienst gleichwertig mittragen, solange er in vollem Umfang vertragsärztlich tätig ist. Darin liegt weder ein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit des Art 12 Abs 1 GG noch gegen das in Art 3 Abs 1 GG verankerte Gleichbehandlungsgebot.
4. Die Pflicht am Notfalldienst teilzunehmen, ist zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit akzessorisch. Wird der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, hat er an der Versorgung der Versicherten mitzuwirken (§ 72 Abs 1 S 1 SGB 5). Dieser Verpflichtung kann er sich nicht partiell entziehen, indem er seine Tätigkeit teilweise in eine Zweipraxis verlagert. Nimmt der Vertragsarzt an der Versorgung der Versicherten teil, ist er mithin schon kraft Gesetzes gehalten, Notfalldienst zu verrichten und zwar sowohl am Stammsitz als auch am Sitz der Zweigpraxis.
Normenkette
SGB V § 72 Abs. 1 S. 1, § 75 Abs.1 S. 2; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; Ärzte-ZV § 24 Abs. 3; BMV-Ä § 15a Abs. 1; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 S. 1, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.02.2012 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt mittels einstweiligen Rechtsschutzes vom organisierten ärztlichen Notfalldienst im Bezirk der Antragsgegnerin befreit zu werden.
Der Antragsteller ist als Facharzt für Frauenheilkunde in einer Berufsausübungsgemeinschaft in C niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führt eine Zweigpraxis in S. C liegt im Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe, S hingegen in jenem der KV Nordrhein (Antragsgegnerin).
Der Vorstand der Antragsgegnerin beschloss, dass alle Zweigpraxisinhaber ab dem 01.07.2011 am Zweigpraxissitz mit einer Dienstfrequenz von 50 % zum ärztlichen Notfall-/Bereitschaftsdienst eingeteilt werden. Mit Schreiben vom 24.03.2011 unterrichtete die Kreisstelle L (im Folgenden: Kreisstelle) der Antragsgegnerin den Antragsteller hiervon. Mit Bescheid vom 28.11.2011 teilte die Kreisstelle den Antragsteller nach Maßgabe des dem Bescheid beigefügten Dienstplans für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 zum Notfalldienst ein und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hiernach wird der Antragsteller für den 02.02., 07.04., 11.04. und 11.05.2012 zum ärztlichen Notfalldienst herangezogen. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 21.12.2011 hat der Antragsteller vorgetragen, nicht zum Notfalldienst am Sitz der Zweigpraxis verpflichtet zu sein. Zweigpraxen dienten nicht der Sicherstellung der Versorgung, sondern lediglich der Versorgungsverbesserung. Schon deswegen scheide eine Notfalldienstverpflichtung für den Zweigpraxissitz aus. Zwar verpflichte die ab dem 01.01.2012 geltende Notfalldienstordnung der Antragsgegnerin nunmehr auch Zweigpraxisinhaber zur Übernahme des Notfalldienstes. Er habe seinen Stammsitz jedoch im Zuständigkeitsbereich der KV Westfalen-Lippe, so dass die Antragsgegnerin ihn nicht heranziehen könne. Losgelöst hiervon sei der Heranziehungsbescheid am 28.11.2011 und damit unter Geltung der eine entsprechende Regelung nicht enthaltenden Notfalldienstordnung alter Fassung ergangen. Die Antragsgegnerin hat den Widerspruch mit Bescheid vom 31.01.2012 zurückgewiesen.
Unter diesem Datum hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf unter Wiederholung seines Vorbringens um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Er hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 09.01.2012 gegen die sofortige Vollziehung des Notd...