Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für einen Unions-Neubürger durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Auf einen bulgarischen Staatsangehörigen als EU-Bürger ohne Aufenthaltsgrund findet der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 nach seinem Wortlaut keine Anwendung. Dieser stellt allein auf das Recht zur Arbeitsuche ab. Nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG muss das Existenzminimum eines Ausländers auch bei kurzer Aufenthaltsdauer oder kurzer Aufenthaltsperspektive in Deutschland in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein.
2. Infolgedessen ist der Träger der Grundsicherung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bei Vorliegen des erforderlichen Anordnungsgrundes zu verpflichten, Leistungen der Grundsicherung vorläufig zu bewilligen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.05.2013 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) Regelbedarf in Höhe von 345,00 EUR mtl. und der Antragstellerin zu 2) Regelbedarf in Höhe von 306,00 EUR mtl. für die Zeit ab dem 06.05.2013 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis zum 31.10.2013 vorläufig zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Die Antragstellerinnen sind bulgarische Staatsangehörige. Die am 00.00.1995 geborene Antragstellerin zu 2) ist die Tochter der am 00.00.1971 geborenen Antragstellerin zu 1). Seit dem 01.10.2008 hielt sich die Antragstellerin zu 1) in Spanien auf. Sie lebte mit Herrn A (A.), einem deutschen Staatsangehörigen, zusammen. Die Antragstellerin zu 1) arbeitete in Spanien als Restauranthelferin. Am 27.03.2009 zog die Antragsstellerin zu 2) von Bulgarien nach Spanien. Sie besuchte in Spanien die Schule, erwarb aber keinen Abschluss. Ende Oktober/Anfang November 2011 wurden die Arbeitsverhältnisses der Antragstellerin zu 1) und von A. arbeitgeberseitig gekündigt. Anfang 2012 reisten die Antragstellerinnen in die Bundesrepublik Deutschland ein. A. war bereits im November 2011 nach Deutschland gekommen.
Der Kreis W erteilte der Antragstellerin zu 2) unter dem 22.05.2012 eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU, wonach sie Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union und nach Maßgabe des FreizügG/EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist. Zur Aufnahme einer unselbständigen arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit benötige die Antragstellerin zu 2) eine Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung/EU. Seit dem 23.11.2012 besucht die Antragstellerin zu 2) einen durch die Bewilligung von Fahrtkosten geförderten Integrationskurs bei den Euroschulen W. Der Kurs endet voraussichtlich am 15.08.2013. Die Antragstellerin zu 1) ist nicht im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung.
Am 08.05.2012 beantragte A. für sich und die Antragstellerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er habe in den Jahren von 2005 bis 2011 in Spanien als Koch gearbeitet. Wegen der Insolvenz seines Arbeitgebers sei er mit den Antragstellerinnen zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Den Lebensunterhalt habe er bisher aus seinen Ersparnissen finanziert. Der Antragsgegner bewilligte A. für die Zeit ab dem 03.05.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 473,66 EUR mtl. (337,00 EUR Regelbedarf + 136,66 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung, Bescheide vom 12.06.2012, 04.10.2012 und 05.11.2012). Als Kosten für Unterkunft und Heizung übernahm der Antragsgegner 1/3 der tatsächlichen Bruttowarmmiete. In dem Bescheid vom 12.06.2012, adressiert an A., wird ausgeführt, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Antragstellerinnen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II nicht bestehe. Insoweit werde der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner schloss am 26.03.2013 mit der Antragstellerin zu 2) eine Eingliederungsvereinbarung ab. Die Antragstellerin zu 2) verpflichtete sich hierin zur regelmäßigen Teilnahme an dem Integrationskurs ohne unentschuldigte Fehlzeiten.
Am 04.04.2013 beantragte A. die Weiterbewilligung von Leistungen für sich und die Antragstellerinnen. Durch Bescheid vom 26.04.2013 bewilligte der Antragsgegner A. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2013 bis zum 31.10.2013 in Höhe von 481,66 EUR monatlich (345,00 EUR Regelbedarf + 136,66 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung). Durch Bescheid vom 07.05.2013, adressiert an die Antragstellerin zu 2), lehnte der Antragsgegner die "Aufnahme" der Antragstellerin zu 2) "in die Bedarfsgemeinschaft" ab. In dem Bescheid vom 12.06.2012 habe er festgestellt, dass für die Antragstellerin zu 2) und die Antragstell...