Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Rechtsmittelbelehrung

 

Orientierungssatz

1. Eine Rechtsmittelbelehrung genügt den in § 66 Abs. 1 SGG genannten Anforderungen, wenn sie vollständig und richtig ist. Sie ist dann nicht ordnungsgemäß, wenn sie bei abstrakter Betrachtungsweise geeignet sein kann, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern und dadurch Einfluss auf eine verspätete oder formwidrige Einlegung oder Begründung des Rechtsbehelfs auszuüben.

2. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist auch dann fehlerhaft, wenn ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzubringen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf einzulegen bzw. rechtzeitig einzulegen. Der Zusatz in der Rechtsbehelfsbelehrung "ist beim Geschäftsführer der Behörde einzulegen" ist geeignet, einen Irrtum dahingehend hervorzurufen, dass zur Einlegung des Widerspruchs an den Geschäftsführer selbst herangetreten werden muss.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.10.2010 geändert. Der Klägerin wird zur Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens Prozesskostenhilfe ab dem 12.07.2010 bewilligt und Rechtsanwalt T aus L beigeordnet.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 07.10.2010 ist zulässig und begründet. Das SG hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Klägerin ist nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen. Die Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Erfolgsaussichten in diesem Sinn bestehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet und in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung für möglich hält. Dabei muss die Chance, den Prozess zu gewinnen, mindestens genauso groß sein wie die, ihn zu verlieren. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen gemäß § 103 SGG durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), NJW 1991, 413 ff; BVerfG, NJW-RR 2002, 665 ff; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 29.06.2009, Az.: L 20 B 6/09 AS; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 73a, Rn. 7 ff; Düring in: Jansen, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2009, § 73a Rn. 12 m.w.N). Dabei ist eine schwierige Rechtsfrage nicht im Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu klären, sondern erst abschließend im Hauptsacheverfahren zu entscheiden (BVerfG, Entscheidung vom 05.02.2003, Az.: 1 BvL 1526/02, FamRZ 2003, 833; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.aO., § 73a, Rn. 7 b m.w.N.); ist die Rechtsauffassung des Klägers vertretbar, ist daher Prozesskostenhilfe zu gewähren (Littmann in: Lüdtke, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2009, § 73a, Rn. 13 m.w.N.).

Gemessen hieran sind die Erfolgsaussichten bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren, mit dem die Klägerin die Erstattung von Kosten im Widerspruchsverfahren nach § 63 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) verlangt, nicht zu verneinen. Das SG stellt in dem angefochtenen Beschluss maßgeblich darauf ab, dass die von dem Beklagten verwendete Rechtsmittelbelehrung den in § 66 Abs. 1 SGG genannten Anforderungen genüge. Die Belehrung müsse vollständig und richtig sein. Sei sei nicht ordnungsgemäß, wenn wie sie bei abstrakter Betrachtungsweise geeignet sein könne, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern und dadurch Einfluss auf die verspätete oder formwidrige Einlegung oder Begründung des Rechtsbehelfs gehabt haben könnte. Entgegen der Ansicht der Klägerin führe der Hinweis "beim Geschäftsführer der ARGE L" nicht dazu, dass damit die Verwaltungsstelle - ARGE L - nicht erkennbar sei. Für das Gericht sei nicht erkennbar, dass durch die Bezugnahme auf den Geschäftsführer der Informationswert der Belehrung gemindert oder die Klägerin an der Einlegung eines Rechtsbehelfs ...

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