Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für eine schwangere Unionsbürgerin durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Die bei einem Unionsbürger eng auszulegende Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 verlangt zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass diesem ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik zusteht. Kann sich der Unionsbürger auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen, so ist § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 grundsätzlich nicht anwendbar.
2. Ein anderes Aufenthaltsrecht einer Schwangeren kann sich aus der zu erwartenden Geburt des Kindes ergeben. Die bevorstehende Geburt kann eine aufenthaltsrechtliche Vorwirkung i. S. eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn der Schutz der Familie und die Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.06.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 28.05.2014 bis zum 31.08.2014 vorläufige Regelleistungen einschließlich eines Mehrbedarfs bei Schwangerschaft unter bedarfsmindernder Anrechnung von Einkommen in Höhe von 300,00 EUR für den Monat Juni und 150,00 Euro für den Monat Juli zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch für das Beschwerdeverfahren.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers ist teilweise begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zwar zu Recht dazu verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab dem 28.05.2014 bis längstens zum 31.08.2014 vorläufige Regelleistungen zu gewähren. Auf diese Leistungen waren aber im Juni 2014 erhaltene Spendenzahlungen in Höhe von insgesamt 300,- Euro und im Juli 2014 erhaltene weitere Spendenzahlungen in Höhe von 150,- Euro als Einkommen anzurechnen. Der Beschluss des Sozialgerichts war insoweit abzuändern.
Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Antragstellerin hat ab Eingang des Eilantrags beim Sozialgericht am 28.05.2014 unter Berücksichtigung ihrer grundrechtlichen Belange nach Folgenabwägung einen Anspruch auf Gewährung vorläufiger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Form des Regel- und Mehrbedarfs. Sie hat einen diesbezüglichen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Senat nimmt diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Er geht insbesondere davon aus, dass Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes vorliegt, weil die Antragstellerin glaubhaft vorgetragen hat, über kein ausreichendes eigenes Einkommen sowie Vermögen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu verfügen. Sie hat lediglich im Juni und Juli 2014 Spendengelder erhalten, mit denen sie ihren Lebensunterhalt aber nicht hinreichend decken kann.
Auch einen Anordnungsanspruch hat das Sozialgericht zu Recht bejaht.
Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren nachgewiesen, dass sie zunächst seit Juli 2013 in L gemeldet war und sie hat glaubhaft gemacht, dass sie nunmehr in E lebt und arbeitet. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie seit Februar 2014 vom Gesundheitsamt der Stadt E betreut wird. Die Antragstellerin hat damit glaubhaft gemacht, dass sie dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II begründet hat. Sie beabsichtigt, sich dort auch nach ihrer Entbindung weiterhin dauerhaft aufzuhalten, um erneut einer Erwerbstätigkeit als Prostituierte nachzugehen.
Dem Anspruch steht auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union vereinbar ist, weil sich die Antragstellerin nicht vorrangig zur Arbeitssuche, sondern zur Ausübung der Prostitution bzw. aktuell zur Entbindung und nachfolgenden Vermittlung des Kindes zur Adoption in Deutschland aufhält. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, gilt die eng auszulegende Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nur, wenn positiv festgestellt werden kann, dass dem Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, juris RdNrn. 23 - 27). Kann sich der Leistungsempfänger demgegenüber nach den besonderen Einzelfallumständen auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen, ist § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht anwendbar. Ein anderes Aufenthaltsrecht einer Schwangeren kann sich dabei auch aus der zu erwartenden Geburt des Kindes ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, juris RdNr 31). Das BSG hat in der entsprechend...