Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachforderung von Rentenversicherungsbeiträgen bei gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung

 

Orientierungssatz

1. Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 AÜG zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer das equal-pay-Arbeitsentgelt nicht gewährt. Allerdings können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung abweichender tarifvertraglicher Regelungen vereinbaren. Zuständig für die Durchführung ist die Bundesagentur für Arbeit.

2. Infolgedessen kann der durch eine Auskunft der Arbeitsagentur ausgelöste Vertrauensschutz nicht weiter reichen als der Schutz einer bestandskräftigen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 2 AÜG. Bei deren Erteilung sind die Versagungsgründe des § 3 zu prüfen.

3. War der Arbeitgeber nicht tariffähig, so kann der Rentenversicherungsträger die Differenz der Rentenversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber nachfordern, welche sich aus der Gegenüberstellung des tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelts und dem equal-pay-Arbeitsentgelt ergibt, einschließlich der anteiligen Säumniszuschläge.

4. Für vorsätzlich vorenthaltene Beiträge gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB 4, vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 12 KR 14/99 R.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 14.6.2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.522,98 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wehrt sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.3.2012, mit dem diese eine Beitragsnachforderung von 6.091,93 Euro einschließlich Säumniszuschlägen von 428,00 Euro für den Prüfzeitraum 16.7.2007 bis 1.4.2009 festgesetzt hat, und ein Schreiben der Antragsgegnerin vom selben Tag an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), demzufolge die Antragstellerin habe für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2009 eine um 808,00 Euro zu geringe Lohnsumme gemeldet.

Die Antragstellerin betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. In ihren Arbeitsverträgen verwies sie auf die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit (CGZP) und dem Arbeitnehmerverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) geschlossenen Tarifverträge. Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP kündigte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.11.2011, der Antragsgegnerin zugegangen am 23.11.2011, eine Betriebsprüfung für den 2.12.2011 an. Die Antragstellerin bat mit Schreiben vom 25.11.2011 um Anberaumung eines neuen Prüftermins, da ihr Geschäftsführer, der die Administration des Unternehmens allein erledige, auf Grund der Kurzfristigkeit den Termin am 2.12.2011 nicht wahrnehmen könne. Zugleich wies sie darauf hin, dass ihr Antragsteller im Anschluss an eine beabsichtigte Reha-Maßnahme erst Mitte Januar 2012 wieder im Büro zur Verfügung stehen werde. Die Antragsgegnerin führte die Betriebsprüfung vom 30.1. bis 2.2.2012 durch. Die dabei festgesetzte Nachforderung sowie die festgestellte Entgeltdifferenz in der gesetzlichen Unfallversicherung errechnete sie auf der Grundlage der von der Antragstellerin nach dem equal-pay-Prinzip geschuldeten Arbeitsentgelte.

Die Antragstellerin erhob gegen den Bescheid sowie das Schreiben vom 29.3.2012 Widerspruch und beantragte einstweiligen Rechtsschutz durch das Sozialgericht (SG) Duisburg. Das SG lehnte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Bescheide ab (Beschluss v. 14.6.2012). Hinsichtlich des Schreibens vom 29.3.2012 sei der Antrag bereits unzulässig, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 86b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) handele, sondern lediglich um eine Prüfmitteilung nach § 28p Abs. 1b Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV); die Erteilung eines Bescheides sei insoweit ausdrücklich der VBG vorbehalten (§ 28p Abs. 1b Satz 2 SGB IV). Im Übrigen hat das SG keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 29.3.2012 gehabt und sich zur Begründung u.a. auf den Beschluss des erkennenden Senates vom 10.5.2012 (L 8 R 164/12 B ER) gestützt.

Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss vertieft die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie trägt insbesondere vor, die Nachforderung sei verwirkt, denn Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit hätten die Inbezugnahme von unter Beteiligung der CGZP geschlossenen Tarifverträgen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) für "unproblematisch" gehalten oder sogar empfohlen. Für das Jahr 2007 erhebt die Antragstellerin zudem die Einrede der Verjährung. Diese sei nicht nach § 25 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Satz 5 SGB IV gehemmt worden, weil die ursprüngliche Prüfankündigung zu kurzfristig ergangen sei und die Antragsgegn...

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