Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinder- und Jugendhilfe. Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche. Art der Leistungen. Verweisung auf § 54 SGB 12. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. entsprechende Anwendung des § 12 Nr 1 BSHG§47V. Kostenübernahme für einen Integrationshelfer trotz inklusiver Beschulung. kein Leistungsausschluss wegen Zuständigkeit der Schulverwaltung. kein Betroffensein des Kernbereichs pädagogischer Arbeit. Angemessenheit der Schulbildung
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf einen Integrationshelfer bei Besuch einer Hauptschule im sog gemeinsamen Unterricht (GU).
Orientierungssatz
1. § 12 BSHG§47V nennt zwar nur noch Maßnahmen zugunsten körperlich oder geistig behinderter Kinder und Jugendlicher. Die Regelung enthält jedoch eine allgemeine Konkretisierung des § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12. Mit diesem Inhalt ist sie kraft der Verweisung des § 35a Abs 3 SGB 8 auch für seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen entsprechend anwendbar (vgl BVerwG Urteil vom 18.10.2012 - 5 C 21/11 = BVerwGE 145, 1).
2. Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer ist nicht nach den schulrechtlichen Vorschriften des jeweils betroffenen Landes, sondern bundeseinheitlich durch Auslegung der sozialhilferechtlichen Vorschriften der §§ 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 und 12 Nr 1 BSHG§47V zu bestimmen (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R = BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8 und vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R = BSGE 112, 196 = SozR 4-3500 § 54 Nr 10).
3. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll (vgl BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R aaO).
4. Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit ist nicht betroffen, wenn die als Leistung der Eingliederungshilfe begehrte Maßnahme lediglich dazu dienen soll, die eigentliche Arbeit der Lehre abzusichern und mit die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, den erfolgreichen Schulbesuch zu ermöglichen (vgl BVerwG vom 18.10.2012 - 5 C 21/11 aaO).
5. Angemessen ist eine Schulbildung dann, wenn der Hilfeempfänger nach seinen Fähigkeiten und Leistungen erwarten lässt, dass er das damit angestrebte Bildungsziel erreichen wird; es besteht also ein Anspruch auf die Ermöglichung einer dem individuellen Potential des Betreffenden entsprechende Bildung (vgl OVG Münster vom 17.1.2013 - 12 B 1360/12).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.09.2013 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab dem 08.01.2014 bis längstens zum 06.07.2014 vorläufig die dem Antragsteller im Falle einer entsprechenden Beauftragung entstehenden Kosten für die Bereitstellung eines Integrationshelfers zur Begleitung des Antragstellers während des Schulunterrichts in der Städtischen Katholischen Hauptschule O in N in einem zeitlichen Umfang bis zu 28 Stunden wöchentlich - nach Maßgabe des Stundenplanes mit Ausnahme der Stunden mit sonderpädagogischer Förderung - bis zu einem Betrag von 700,- Euro monatlich zu übernehmen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist überwiegend begründet. Das Sozialgericht (SG) hat seinen sinngemäßen Antrag, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen für die Bereitstellung eines Integrationshelfers zu seiner Begleitung während des Schulunterrichts in der von ihm seit Beginn des Schuljahres 2013/2014 besuchten Städtischen Katholischen Hauptschule O in N zu gewähren, zu Unrecht vollständig abgelehnt. Der zulässige Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist vielmehr entgegen der Auffassung des SG überwiegend begründet.
1. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbe...