Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

1. Nach §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

2. Übersteigen die zusätzlichen Reisekosten die sonst zu erwartenden Kosten, so kann die Beiordnung des auswärtigen Anwalts nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgen.

3. Dies gilt nicht bei Vorliegen besonderer Umstände i. S. von § 121 Abs. 4 ZPO. Das ist u. a. dann der Fall, wenn der Rechtstreit besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten aufweist, die eine besonders qualifizierte rechtliche Beratung erfordern oder dass zu einem auswärtigen Anwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht.

4. Ist dies nicht der Fall, so ist der Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung begrenzt auf die Fahrkosten vom entferntesten Ort im Sprengel zum Sitz des Sozialgerichts.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 06.10.2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgt.

 

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten (nur) zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts. Die Beschwerde ist zulässig (1.) aber unbegründet (2.).

1. Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) SGG greift nicht, weil das Sozialgericht nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verneint hat. Die allein gegen die beschränkte Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Sozialgericht eingelegte Beschwerde ist damit nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft (Beschlüsse des Senats vom 11.09.2012 - L 19 AS 1676/12 B, vom 04.06.2012 - L 19 KG 1/12 B und vom 31. 03.2010 - L 19 AS 284/10 B PKH; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.06 2015 - L 8 AY 2/15 B - m.w.N.) Das Rechtsmittel ist nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf unbeschränkte Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Die Beschränkung ist klarstellend auf die Kosten eines im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts ansässigen Rechtsanwalts zu formulieren.

a. Nach §§ 73a Abs. 1 S.1 SGG, 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Die Vorschrift des § 121 Abs. 3 ZPO soll sicherstellen, dass ein Prozesskostenhilfeberechtigter nicht besser gestellt wird als ein kostenbewusster und vernünftiger Prozessbeteiligter, der seine Prozesskosten selbst tragen muss. Daher ist eine Beschränkung der Beiordnung auf die für einen im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen zur Vermeidung entbehrlicher Reisekosten grundsätzlich möglich (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2017 - L 7 SO 2285/17 B m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 19.06.2017 - 10 C 17.1076 - m.w.N.).

Mehrkosten i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO entstehen durch eine unbeschränkte Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes nur dann, wenn die bei diesem anfallenden Reise- und Abwesenheitsgelder die eines im Bezirk des Prozessgerichtes ansässigen Anwaltes übersteigen. Das ist nur insoweit der Fall, als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und der Niederlassung des von dem Beteiligten gewählten Rechtsanwaltes größer ist als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und dem von dort am weitesten entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes (Beschluss des Senats vom 11.09.2012 - L 19 AS 1676/12 B, LSG NRW, Beschluss vom 22.10.2014 - L 20 SO 401/14 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2014 - L 3 U 140/13 B; OLG Brandenburg, Beschluss vom 9.09.2015 - 13 WF 190/15; OLG Oldenburg Beschluss vom 16.02.2010 - 11 WF 33/10; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl. 2016, Rn. 91 m.w.N.; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 121 ZPO, Rn. 13a m.w.N.). Es hat ein Kostenvergleich stattzufinden bei Ansatz einerseits der Entfernung des Kanzleisitzes des von dem Beteiligten gewählten Rechtsanwalt zum Gerichtsort und andererseits der Entfernung zwischen dem Gerichtsort zum am weitesten entfernten Ort im Gerichtsbezirk (vgl. Beschluss des Senats vom 11.09.2012 - L 19 AS 1676/12 B ; LSG NRW, Beschlüsse vom 22.10.2014 - L 20 SO 401/14 B, vom 30.11.2010 - L 7 AS 1940/10 B - und - L 7 AS 1938/10 B - und vom 25.10.2010 - L 20 AY 93/10 B - ; BayLSG Beschluss vom 31.05.2011 - L 15 SB 67/11 B PKH).

Die Entfernung zwischen dem Kanzleisitz des beigeordneten Rechtsanwalts in T und dem Sitz des Sozialgerichts Münster beträgt (www.falk.de) ca. 265 km (kürze...

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