Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrags. Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen. Vollendung des 58. Lebensjahres nach dem 1.1.2008. Vollendung des 63. Lebensjahres. Vermeidung unbilliger Härten. Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente in nächster Zukunft. höchstens 3 Monate

 

Orientierungssatz

1. § 5 Abs 3 S 1 SGB 2 setzt eine Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen voraus. Diese wird durch § 12a SGB 2 konkretisiert.

2. § 12a SGB 2 betrifft unter Berücksichtigung von § 65 Abs 4 SGB 2 alle Leistungsberechtigten, die nach dem 1.1.2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben und damit nicht mehr in den Genuss der sog 58er-Regelung kommen (vgl LSG Essen vom 1.2.2010 - L 19 B 371/09 AS ER).

3. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Altersrente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine Unbilligkeit iS der auf Grundlage von § 13 Abs 2 SGB 2 mit Wirkung ab dem 1.1.2008 erlassenen Unbilligkeitsverordnung (juris: UnbilligkeitsV) darstellt.

4. § 3 UnbilligkeitsV, wonach die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente unbillig ist, wenn der Leistungsberechtigte in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann, stellt auf einen Zeitraum von längstens drei Monaten ab.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 28.01.2013 wird abgeändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 06.11.2012 gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist eine Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrags nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der am 00.00.1950 geborene Antragsteller lebt zusammen mit seiner am 00.00.1950 geborenen Ehefrau und seiner am 00.00.1978 geborenen Tochter in einer Mietwohnung in E (Nettokaltmiete 350 EUR, kalte Nebenkosten 128 EUR, Heizkosten 53 EUR monatlich, zusammen: 531 EUR). Die Warmwasseraufbereitung erfolgt über die Heizungsanlage. Der Antragsteller und seine Ehefrau haben eine Hausrat- und eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen (jährlicher Beitrag 102,34 EUR und 64,93 EUR).

Der Antragsteller konnte in den letzten Jahren nicht mehr in Arbeit vermittelt werden. Ausweislich einer Information der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland vom 18.07.2012 wird der Antragsteller ab dem 01.08.2015 angesichts der zum 01.01.2011 abgeschafften Pflichtmitgliedschaft von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Rentenversicherung eine abschlagsfreie Regelaltersrente iHv 955,81 EUR monatlich erzielen. Seine Ehefrau wird ab dem 01.07.2015 eine Regelaltersrente iHv 457,50 EUR erzielen. Der Antragsteller kann seit dem 01.01.2013 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erhalten, deren monatlicher Zahlbetrag im Verhältnis zur Regelaltersrente je Kalendermonat einer vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,3 % gekürzt würde.

Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller und seiner Ehefrau zuletzt mit Bescheid vom 17.01.2013 für März bis August 2013 Leistungen nach dem SGB II iHv 1.043,99 EUR monatlich unter Berücksichtigung von zwei Dritteln der Unterkunftskosten (Anspruch des Antragstellers: 345 EUR + 177,01 EUR = 522,01 EUR). Seine Tochter, die ebenfalls Leistungen nach dem SGB II bezieht, wird als eigene Bedarfsgemeinschaft geführt.

Nach Feststellung einer fehlgeschlagenen Integration in den Arbeitsmarkt wurde der Antragsteller am 14.08.2012 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache aufgefordert, einen Rentenantrag zu stellen. Nachdem der Antragsteller dies am 14.08.2012 und 10.09.2012 abgelehnt hatte, erließ der Antragsgegner am 10.09.2012 einen Bescheid, mit dem er den Antragsteller aufforderte, bis zum 19.11.2012 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Andernfalls werde der Antragsgegner dies tun. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Pflicht zur vorzeitigen Rentenbeantragung seien gegeben. Der Verweis auf den Bezug einer (geminderten) Altersrente sei angemessen und geeignet, die Hilfebedürftigkeit zu vermeiden. Der Antragsteller legte am 27.09.2012 Widerspruch ein. Er habe keinen Vorteil von einer vorzeitigen Rentenantragstellung. Er verliere im Gegenteil monatlich ca. 77 EUR. Die Altersrente würde auf seine Frau angerechnet, beide blieben im Leistungsbezug. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 zurück. Es lägen keine Ausnahmetatbestände nach der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente vom 14.04.2008 (Unbilligkeitsverordnung) vor. Diese sei abschließend.

Am 06.11.2012 erhob der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Duisburg (S 25 AS 4434/12). Die Unbilligkeitsverordnung sei nicht abschließend.

Am 30.11.2012 hat der Antragsteller einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt.

Er hat ergänzend vorgetragen, bei ...

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