Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf deklaratorische Feststellung der aufschiebenden Wirkung
Orientierungssatz
1. Bei fortgesetzter Mißachtung der kraft Gesetzes nach § 86 a Abs. 1 S. 1 SGG eingetretenen aufschiebenden Wirkung durch die Behörde hat der Antragsteller einen Anspruch auf deren deklaratorische Feststellung durch das Sozialgericht. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass sich der Antragsteller nicht zuvor mit einem inhaltsgleichen Begehren an den Antragsgegner gewandt hat.
2. Angesichts einer dem Antragsteller zugegangenen Vollstreckungsankündigung zwei Monate nach Klageerhebung kann der Antragsteller davon ausgehen, der Antragsgegner beachte die aufschiebende Wirkung der Klage nicht. Erledigt sich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch das angenommene Anerkenntnis des Antragsgegners, so sind diesem die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers durch Beschluss aufzuerlegen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 12.09.2006 geändert. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
Die Beschwerde richtet sich gegen die vom Sozialgericht abgelehnte Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten nach in der Sache erledigtem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage (§§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 193 Abs. 1 SGG). Mit Bescheid vom 20.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 hatte die Antragsgegnerin die Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses an den Antragsteller aufgehoben und die aufgrund der Bewilligung erbrachten 7.200,00 EURO von ihm zurückgefordert. Hiergegen hat der Antragsteller am 18.04.2006 Klage erhoben (S 23 (16) AL 95/06, SG Duisburg).
Am 13.06.2006 ging in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten eine Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamts E bezüglich einer Forderung der Antragsgegnerin über 7.200,00 EURO ein. Mit seinem am 19.06.2006 im vorliegenden Verfahren gestellten Antrag hat der Antragsteller die Feststellung begehrt, dass die Klage in dem Verfahren S 23 (16) AL 95/06 gegen den Bescheid vom 20.02.2006 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung sei festzustellen, da die Antragsgegnerin die kraft Gesetzes eingetretene aufschiebende Wirkung nicht beachte.
Mit der Antragserwiderung vom 20.06.2006 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, die aufschiebende Wirkung werde beachtet.
Hierauf hat der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, der Antragsgegnerin die Übernahme seiner außergerichtlichen Kosten aufzugeben.
Dies hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.09.2006 und der Begründung abgelehnt, die Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens wäre entbehrlich gewesen, wenn der Antragsteller sich mit seinem Begehren direkt an die Antragsgegnerin gewandt hätte.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, es sei lebensfremd zu glauben, dass eine nicht förmliche Kontaktaufnahme zum Abbruch der angekündigten Vollstreckungsmaßnahmen hätte führen können. Auch verstoße es gegen das Rechtsstaatsprinzip, einen Bürger auf nichtförmliche Abhilfemöglichkeiten zu verweisen, wenn Rechtsmittel zur Verfügung stünden.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 09.10.2006), ist auch begründet.
Zu Unrecht hat es das Sozialgericht im Rahmen des ihm bei der Entscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG zustehenden Ermessens abgelehnt, die Antragsgegnerin zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu verpflichten, weil der Antrag im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses - hier des angenommenen Anerkenntnisses der Antragsgegnerin mit der Erledigungswirkung nach § 101 Abs. 2 SGG - zulässig und begründet war.
Insbesondere steht der Zulässigkeit des hier gestellten Antrages auf (deklaratorische) Feststellung, dass die Anfechtungsklage in dem Verfahren S 23 (16) AL 95/06, SG Duisburg, aufschiebende Wirkung hat (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG), nicht entgegen, dass sich der Antragsteller nicht zuvor mit einem inhaltsgleichen Begehren an die Antragsgegnerin gewandt hat. Dieses für den Erlass von Regelungsanordnungen i.S. von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG bestehende Erfordernis (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 26b; Grieger in Rotkegel, Sozialhilferecht 1. Aufl. 2005, Teil 5 Kapitel 1 Rdnr. 14; LSG NW, Beschlüsse vom 03.02.2006 - L 20 B 6/06 SO und vom 14.04.2005 - L 19 B 5/05 SO ER sowie vom 22.06.2005 - L 19 B 3/05 AY ER) besteht hinsichtlich des Aussetzungsantrages nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht (ebenso: Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 07.01.2002 - L 13 AL 3590/01 ERB; offengelassen in Fällen nicht kraft Gesetzes eingetretener aufschiebender Wirkung durch Beschlüsse des LSG NRW vom 03.11.2006 - L 20 B 264/06 AS ER und vom 24.11.2006, L 12 B 151/06 AS -; anders Düring in: Jansen, Sozialgericht...