Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde wegen Verfahrensverschleppung des Gerichts

 

Orientierungssatz

1. Einen eigenständigen Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde wegen Verfahrensverschleppung gibt es nach der bestehenden Rechtslage nicht. Sie ist im Gesetz nicht vorgesehen.

2. Eine richterliche Schaffung ungeschriebener außerordentlicher Rechtsbehelfe widerspricht dem Gebot der Rechtsmittelklarheit. Infolgedessen kann der Rechtsbehelf einer Untätigkeitsbeschwerde auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffen werden.

 

Tenor

Die Untätigkeitsbeschwerde der Beschwerdeführer vom 15.11.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die mit Schreiben vom 10.11.2010 eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführer wegen Verfahrensverschleppung ist als Untätigkeitsbeschwerde auszulegen. Einen eigenständigen Rechtsbehelf zur Einlegung eines Rechtsmittels wegen Verfahrensverschleppung gibt es nach derzeitiger Rechtslage nicht. Mit ihrer am 15.11.2010 erhobenen Untätigkeitsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Untätigkeit des Sozialgerichts (SG) Köln im Verfahren S 13 AS 44/09 geltend. Die Untätigkeitsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Einen eigenständigen Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde gibt es nach derzeitiger Rechtslage nicht. Denn die Untätigkeitsbeschwerde ist derzeit im Gesetz nicht vorgesehen.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde auch nicht durch richterrechtliche Rechtsfortbildung entwickelt bzw. begründet werden. Denn dies widerspräche dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit des staatlichen Handelns (so Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 21.05.2007, B 1 AR 4/07 S, SozR 4-1500 § 160a Nr. 17 m.N. auch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie des Bundesverwaltungsgerichts).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass sich aus dem Rechtsstaatsgebot das Gebot der Rechtsmittelklarheit ableitet (BVerfGE 107, 395 (416)). Dies bedeutet, dass dem Rechtsuchenden der Weg zur Überprüfung richterlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen ist. Die richterrechtliche Schaffung ungeschriebener außerordentlicher Rechtsbehelfe widerspräche diesem Gebot (BSG a.a.O., vgl. hierzu Söhngen in: JurisPR-SozR 22/2007, Anm. 5; dem 1. Senat des BSG folgend: BSG, Beschluss des 2. Senats vom 04.09.2007, B 2 U 308/06 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; BSG, Beschluss des 7. Senats vom 28.02.2008, B 7 AL 109/07 B, Juris; BSG, Beschluss des 6. Senats vom 06.02.2008, B 6 KA 61/07 B, Juris; vgl. ferner Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2008, 7 B 4/08, Juris). Das Bundesverfassungsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 16.01.2007 (1 BVR 2803/06, NJW 2007, 2538) entschieden, dass es "gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (verstößt), wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen".

2. Die Untätigkeitsbeschwerde der Beschwerdeführer wäre im Übrigen - ihre Statthaftigkeit unterstellt - auch unbegründet. Denn eine objektiv vorwerfbare Untätigkeit des SG ist nicht erkennbar. Nach Aktenlage hat das SG unter dem 15.09.2010 eine Anfrage an die Sparkasse L gerichtet. Auf die Erinnerungen des SG vom 21.10.2010 und 12.11.2010 ist (nach Einlegung der Beschwerde) unter dem 24.11.2010 eine Stellungnahme der Sparkasse L erfolgt. Vor diesem Hintergrund ist eine objektiv vorwerfbare Untätigkeit des SG nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2603802

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