Entscheidungsstichwort (Thema)
aufschiebende Wirkung. Eingliederungsvereinbarung. Belehrung. Bestimmtheit. wiederholte Pflichtverletzung. Anhörung
Leitsatz (redaktionell)
Zu erwägen ist, dass eine “wiederholte” Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II nur vorliegt, wenn die erste zu sanktionierende Pflichtverletzung bereits durch Bescheid festgestellt ist.
Normenkette
SGB II § 15 Abs. 1 S. 6, § 31 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1b, 1c, Abs. 3 S. 1, § 39 Nr. 1; SGB X § 33 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 20.07.2007 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.03.2007 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller für den Monat Mai 2007 eine Regelleistung i.S.v. § 20 SGB II i.H.v. 218,00 EUR und für den Monat Juni 2007 i.H.v. 311,00 EUR, jeweils unter Anrechnung der bereits erbrachten Regelleistungszahlung, zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers abgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
I.
Der Antragsteller bezieht mit seiner Familie laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). So wurden ihm, seiner Ehefrau und den Kindern Kindern T, O, E, L und M mit Bescheid vom 05.02.2007 Leistungen für die Zeit vom 01.03. bis 31.08.2007 bewilligt; auf den Antragsteller entfiel dabei eine Regelleistung i.S.v. § 20 SGB II i.H.v. monatlich 311,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Nachdem sich der Antragsteller in einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin am 03.01.2007 geweigert hatte, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, traf die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 08.01.2007 die Regelungen einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt (§ 15 Abs. 2 Satz 5 SGB II). Als Eigenbemühungen des Antragstellers ist aufgeführt, der Antragsteller werde beim Möbellager des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SKF) am 24.01.2007 einen Brückenjob antreten. Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet. In der Rechtsfolgenbelehrung ist u.a. ausgeführt, das Arbeitslosengeld II werde in einer ersten Stufe um 30% der Regelleistung abgesenkt, sollte der Antragsteller den getroffenen Regelungen nicht nachkommen, es sei denn, er habe hierfür einen wichtigen Grund. Bei wiederholter Pflichtverletzung werde das Arbeitslosengeld II zusätzlich um 30% der Regelleistung gemindert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10.01.2007 bot die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit vom 24.01. bis 23.07.2007 einen "Brückenjob" im Büro des Möbellagers des SKF mit einer Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich bei einer Mehraufwandsentschädigung von 1,00 EUR/Stunde an; er möge an diesem Tag dort um 8.00 Uhr vorsprechen. Mit Schreiben vom 26.01.2007 bot die Antragsgegnerin dem Antragsteller erneut diese Hilfstätigkeiten an, jedoch für den Zeitraum 12.02. bis 11.08.2007. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben vom 10.01. und 26.01.2007 Bezug genommen. Der Antragsteller meldete sich auf beide Schreiben hin nicht beim SKF.
Die Antragsgegnerin hörte ihn mit Schreiben vom 07.02.2007 zu einer Absenkung der Regelleistung um 30% mit Anhörungsfrist bis zum 16.02.2007 an, weil er am 24.01.2007 den Brückenjob nicht angetreten habe. Mit Bescheid vom 19.02.2007 senkte sie die Regelleistung für den Antragsteller für den Zeitraum 01.03. bis 31.05.2007 um 30% (93,00 EUR) ab, weil der Antragsteller sich geweigert habe, seine in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere am 24.01.2007 den Brückenjob beim SKF anzutreten. Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 14.03.2007 Widerspruch ein.
Mit Schreiben ebenfalls vom 19.02.2007 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer Absenkung der Regelleistung um 60% mit Anhörungsfrist bis zum 27.02.2007 an, da er sich wiederholt geweigert habe, die Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung zu erfüllen, insbesondere am 12.02.2007 den Brückenjob beim SKF anzutreten. Mit Bescheid vom 20.03.2007 senkte die Antragsgegnerin für den Zeitraum 01.04. bis 30.06.2007 die Regelleistung für den Antragsteller um 60% ab, weil er sich geweigert habe, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere am 12.02.2007 den Brückenjob beim SFK anzutreten. Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens kürzte die Antragsgegnerin die Regelleistung des Antragstellers für April 2007 von 311,00 EUR um 279,90 EUR (= 90%) ab. Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 25.03.2007 Widerspruch ein.
Am 15.05.2007 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Münster die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt und u.a. vorgetragen, durch Ausübung eines Ein-Euro-Jobs würden seine Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt...