Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Für die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt allein die subjektive Überzeugung des Antragstellers, der Richter sei befangen, nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist, ob ein Grund vorliegt, der den Antragsteller von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch entscheiden.
2. Die Rüge von Rechts- bzw. Verfahrensverstößen kann allenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht.
3. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit auf vermeintlich fehlerhafte Entscheidungen in vorausgegangenen Rechtsstreitigkeiten stützt.
4. Allein die Stellung einer Strafanzeige gegen den abgelehnten Richter begründet nicht dessen Befangenheit. Eine etwaige Befangenheit muss sich immer aus konkreten Verhaltensweisen des Richters herleiten lassen.
Tenor
Das Gesuch der Antragstellerin auf Ablehnung von Richter am Sozialgericht C wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe
Das Befangenheitsgesuch der Antragstellerin (AS) ist nicht begründet.
Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines AS oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den AS von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden (std. Rechtsprechung, vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 12.07.1986 - 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 - 2 BvR 413/88 - und vom 02.12.1992 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 5/92 -, Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.1993 - 12 RK 45/92 -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die AS begründet ihr Ablehnungsgesuch im Wesentlichen damit, dass der abgelehnte Richter ihre Verfahren S 8 SO 172/10 (vormals S 8 AS 586/10) und S 8 SO 10/11 mit gleichlautenden Beschlüssen vom 29.12.2010 und 02.02.2011 an das Sozialgericht Frankfurt/Oder (dortige Aktenzeichen nunmehr S 7 SO 2/11 und S 7 SO 10/11) verwiesen hat. Mit diesem Vorbringen kann die AS indes im vorliegenden Verfahren kein Gehör finden. Denn das Ablehnungsverfahren dient nicht der Überprüfung richterlicher Vorgehensweisen auf etwaige Rechts- bzw. Verfahrensfehler. Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sind grundsätzlich mit dem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen. Die Rüge von Rechts- bzw. Verfahrensverstößen kann allenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne Weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn der abgelehnte Richter die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und Grundrechte verletzt hat oder wenn in einer Weise gegen Verfahrensregeln verstoßen wurde, dass sich bei dem Beteiligten der Eindruck der Voreingenommenheit aufdrängen konnte (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 27.09.1994 - VIII B 64-76/94 pp - m.w.N.; Beschlüsse des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 10.04.2006 - L 10 AR 42/06 und L 10 AR 43/06 - und des Senats vom 25.11.2009 - L 11 AR 117/09 AB -, vom 20.01.2010 - L 11 AR 129/09 AB und L 11 AR 130/09 AB-, vom 17.05.2010 - L 11 SF 102/10 AB -, vom 19.07.2010 - L 11 SF 108/10 AB - und vom 30.03.2011 - L 11 SF 44/11 AB -).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein AS - wie hier - eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit auf vermeintlich fehlerhafte Entscheidungen in vorausgegangenen Rechtsstreitigkeiten stützt. Auch insoweit ist ein Ablehnungsgrund nur gegeben, wenn schlüssig dargetan wird, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (Senat, Beschluss vom 04.04.2011 - L 11 SF 52/11 AB - unter Hinweis auf BFH, Beschlüsse vom 30.09.1998 - IX B 22/98 - und vom 22.11.2007 - II ...