Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Aktivrollstuhl entsprechend dem Hilfsmittelverzeichnis. Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens
Orientierungssatz
1. Die Versorgung des Versicherten mit einem Rollstuhl hat sich am Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs1 SGB 5 zu orientieren. Danach muss die Leistung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Aktivrollstühle genügen diesen Anforderungen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden können. Eine vom Benutzer gewünschte Möglichkeit des leichteren Transports eines Faltrollstuhls ist rechtlich unerheblich.
2. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5 greift nur ein, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der GKV geschuldete Leistung betrifft und sie dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht.
3. § 13 Abs 3a SGB 5 zielt auf die Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens und dient der raschen Klärung von Leistungsansprüchen, rechtfertigt aber eine abweichende rechtliche Beurteilung nicht. Damit setzt die Genehmigungsfiktion einen fiktionsfähigen Antrag voraus.
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 31.01.2014 werden zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Versorgung der Antragstellerin mit einem Rollstuhl.
Die 1999 geborene Antragstellerin ist schwerbehindert. Ihr sind unter anderem die Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung), "B" (ständige Begleitung), "H" (Hilflosigkeit) bewilligt. Sie leidet unter anderem an einer mitochondrialen Myopathie (mit Retardierung der Körpermotorik). Die Antragstellerin besucht eine Realschule.
Die Kinderärztin Dr. C stellte am 29.08.2013 eine Verordnung für einen Leichtlauf-Faltrollstuhl der Firma ProAktiv Traveller mit Sitzeinheit nach Maß und Zubehör aus. Der Kostenvoranschlag für den Rollstuhl der Firma Proaktiv beläuft sich auf einen Betrag von 5.025,22 EUR (P GmbH vom 02.09.2013). Auf eine weitere Verordnung vom 05.11.2013 bezüglich eines Leihrollstuhls genehmigte die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für einen Leichtgewicht-Rollstuhl für leihweise zwölf Wochen (Bescheid vom 05.12.2013).
Nach Eingang des Antrags auf Kostenübernahme am 05.09.2013 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, es fehlten zur Bearbeitung noch wichtige Informationen des behandelnden Arztes. Dieser müsse den beiliegenden Fragebogen ausfüllen. Nach Eingang einer Antwort melde man sich kurzfristig; zugleich wandte sie sich an die behandelnde Kinderärztin. Dem Leistungserbringer wurde mitgeteilt, der Kostenvoranschlag sei nicht vertragskonform. Nach den geltenden vertraglichen Regelungen könne die Kostenübernahme für einen Aktivrollstuhl im Rahmen der Versorgungspauschale für einen Gewährleistungszeitraum von 24 Monaten erfolgen. Die Pauschale betrage 2100,00 EUR zuzüglich ermäßigter Mehrwertsteuer. Zurüstungen und Sonderbauteile, die nicht in der Pauschale geregelt, jedoch medizinisch notwendig seien, könnten mit einem 25-prozentigen Rabatt auf den Listenpreis zuzüglich ermäßigter Mehrwertsteuer zusätzlich abgerechnet werden. Um Übersendung eines geänderten Kostenvoranschlages werde gebeten. Die Firma P GmbH teilte daraufhin unter dem 09.09.2013 mit, bei dem von der Familie der Antragstellerin ausgesuchten Rollstuhl handele es sich um einen Rollstuhl in Sonderbau. Dieser Rollstuhl falle nicht in eine Versorgungspauschale von 2.100,00 EUR. Daher könne kein geänderter Kostenvoranschlag übersandt werden.
Unter dem 26.09.2013 teilte die Antragsgegnerin der Mutter der Antragstellerin mit, die Unterlagen seien an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weitergeleitet worden. Sobald eine Antwort des MDK vorliege, erhalte die Antragstellerin weitere Mitteilung. Der Eingang der Stellungnahme des MDK Bayern ("Versorgung aus medizinischer Sicht nicht plausibel; Versicherte ist relativ sicher gehfähig und mobil. Allein aus Transportgründen besteht kein Grund für die jetzt gewünschte Versorgung. Medizinisch nicht nachvollziehbar ist auch die Orthesensitzschale. Eine kostengünstigere Versorgung mit Faltrollstuhl bei Bedarf sollte geprüft werden. Gegebenenfalls muss zu einer Begutachtung vor Ort geraten werden ...") ist aus den Akten nicht ersichtlich. Am 07.10.2013 wurde telefonisch mit der Mutter der Antragstellerin Rücksprache gehalten (und mutmaßlich auch die Einschaltung des MDK vor Ort besprochen). Das (weitere) Gutachten des MDK Westfalen-Lippe vom 24.10.2013 ging bei der Antragsgegnerin am 06.11.2013 (Eingangsstempel) ein. Der MDK ging von einer Rollstuhlpflichtigkeit der Antragstellerin aus, da diese nicht mehr frei stehen könne und eine zunehmende Schwäche der Extremitätenmuskulatur eintrete. Die Versorgung mit einem Aktivrollstuhl in der Standardausführung sei als ausreichend und vorrangi...