Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.01.2024 geändert.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt vom 08.12.2023 bis zum 30.06.2024 in Höhe der Regelleistung nach Regelbedarfsstufe 1 - unter Abzug der im Regelbedarf enthaltenen Aufwendungen nach § 5 Abs. 1 Abteilungen 4 und 5 RBEG - zu zahlen und Hilfe bei Krankheit zu gewähren.

Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt E., F., beigeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

I. 

Der Antragsteller begehrt Leistungen nach dem SGB XII einschließlich Krankenhilfe im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 0000 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger und lebt nach eigenen Angaben seit 28 Jahren in Deutschland. Derzeit übernachtet er in einer Obdachlosenunterkunft im Gebiet der Antragsgegnerin. Mit Bescheid vom 22.08.2017 stellte die Antragsgegnerin als Ausländerbehörde den Verlust des EU-Freizügigkeitsrechts des Antragstellers fest und forderte ihn auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats zu verlassen. Nach einem in der Verwaltungsakte enthaltenen Vermerk über ein Telefongespräch mit der Ausländerbehörde (Frau Romberg) vom 21.09.2023 ist der Bescheid bestandskräftig und noch wirksam, wird aber nicht vollstreckt, weil keine Möglichkeit bestehe, eine sofortige Wiedereinreise zu verhindern.

Einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lehnte das Jobcenter W. mit Bescheid vom 11.05.2022 ab, da der Antragsteller als Ausländer gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei.

Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII zuletzt mit Bescheid vom 28.09.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2023 ab, weil der Antragsteller als Ausländer gem. § 23 SGB XII auch von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen sei. Die Bewilligung von Überbrückungsleistungen scheide aus, weil dem Antragsteller der Ausreisewille fehle. Hiergegen hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Dortmund am 11.01.2024 Klage erhoben.

Am 08.12.2023 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Dortmund beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen in Höhe der Regelleistung zu verpflichten. Jedenfalls stünden ihm Leistungen nach dem AsylbLG zu. Er hat eine Stellungnahme des Sozialarbeiters R., Diakonie Z., vom 15.09.2023 vorgelegt. Hiernach bestehe bei ihm eine starke Alkoholabhängigkeit und der Verdacht auf eine Polyneuropathie mit starker Gangunsicherheit. Nach einem "ärztlichen Kurzbericht" des Allgemein- und Arbeitsmediziners Q. vom 20.10.2023 bestehe beim Antragsteller ein Alkoholabhängigkeitssyndrom mit organischen, kognitiven und psychischen Folgeschäden mit Sekundärepilepsie, Sturzereignissen, Polyneuropathie, Gehbehinderung und Störungen der Impulskontrolle, des sozialen Verhaltens und des Gedächtnisses. Hinzu kämen verschiedene körperliche Erkrankungen (Bronchitis, Refluxösophagitis, Venenerkrankung, behandlungsbedürftiger Zahnstatus).

Mit Verfügung am 29.12.2023 und beim Bevollmächtigten des Antragstellers nach dessen Angaben am 05.01.2024 eingegangener Verfügung vom 28.12.2023 hat das Sozialgericht den Antragsteller mit Wochenfrist zur Beantwortung verschiedener Fragen aufgefordert. Mit Beschluss vom 10.01.2024 hat es den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, da er schon seit Jahren ohne Leistungen lebe und nicht ersichtlich sei, weshalb die beantragten Leistungen zur Abwendung von "größter Not" nunmehr erforderlich seien.

Gegen den ihm am 10.01.2024 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 11.01.2024 Beschwerde erhoben. Der Beschluss des Sozialgerichts sei verfahrensfehlerhaft, da ihn die Verfügung vom 28.12.2023 erst am 05.01.2024 erreicht habe und die gesetzte Wochenfrist erst nach dem angefochtenen Beschluss am 12.01.2024 geendet habe. Er benötige dringend Leistungen für den Lebensunterhalt und im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand Krankenhilfe. Er lebe derzeit vom Betteln und Flaschensammeln. Er hat eine Aufstellung der Antragsgegnerin vorgelegt, aus der sich sein Aufenthalt in Witten ab 2016 ergibt.

Die Antragsgegnerin macht geltend, es sei dem Antragsteller unbenommen, seinen Wohnort nach Polen zu verlegen. Ggfs. könne er mit "ärztlicher Betreuung im Rettungswagen in sein Heimatland begleitet werden".

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.

Der vom Antragsteller gerügte Verfahrensfehler liegt vor, hat aber im Beschwerdeverfahren keine rechtliche Konsequenz, da eine Zurückverweisung an das Sozialgericht (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in entsprechender Anwendung; dazu LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 13.06.2019 - L 7 AS 841/19 B ER) u...

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