Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Tilgung eines Mietkautionsdarlehens durch Aufrechnung. Nichtbestehen einer Aufrechnungslage. keine Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs. fehlende Aufhebung der Fälligkeitsbestimmungen im Darlehensbescheid nach der Rechtsänderung durch § 42a SGB 2. Notwendigkeit der verfassungskonformen Auslegung bei einer Aufrechnungsdauer von mehr als 3 Jahren
Orientierungssatz
1. Die Aufrechnung des Grundsicherungsträgers zur Tilgung eines dem Hilfebedürftigen gewährten Darlehens mit Leistungen der Grundsicherung setzt ua das Bestehen einer Aufrechnungslage voraus. Diese verlangt die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs.
2. Hat der Grundsicherungsträger die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs aus dem Mietkautionsdarlehen im Darlehensbescheid geregelt und sind diese noch nicht eingetreten, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die zum 1.4.2011 eingefügte Vorschrift des § 42a SGB 2 die Fälligkeitsbestimmungen des Darlehensbescheides abgeändert oder unwirksam iS von § 39 Abs 2 SGB 10 geworden sind. Die Einfügung der Vorschrift des § 42a Abs 2 SGB 2 stellt eine echte Rechtsänderung und damit eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse iS des § 48 SGB 10 dar. Ist eine (teilweise) Aufhebung der Bestimmungen der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs im Darlehensbescheid weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt, so stehen die Fälligkeitsbestimmungen des Darlehensbescheides einer Aufrechnungslage entgegen.
3. Im Übrigen ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 42a SGB 2 im Hinblick auf die zeitliche Dauer einer Aufrechnung zur Darlehenstilgung dann geboten, wenn der Tilgungsvorgang länger als der in § 43 Abs 4 S 2 SGB 2 vorgesehene Aufrechnungszeitraum von drei Jahren dauert.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.02.2014 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ohne Kostenbeteiligung bewilligt und Rechtsanwalt L, C, beigeordnet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufrechnung zur Tilgung eines Darlehens zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen.
Zumindest seit März 2009 bezieht der Kläger durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Zum 01.10.2010 zog er in die Genossenschaftswohnung B 00, C. Bedingung für den Abschluss des Mietvertrag war der Erwerb eines Genossenschaftsanteils i.H.v. 1.500,00 EUR. Unter dem 31.08.2010 unterzeichnete der Kläger eine "Rückzahlungsvereinbarung" in der er unwiderruflich erklärte, dass der von dem Beklagten darlehensweise übernommene Genossenschaftsanteil und die auf diesen Genossenschaftsanteil zu zahlende Dividende für die Wohnung B 00, C an den Beklagten auszuzahlen sei, sofern er das Darlehen noch nicht getilgt habe. Am 02.09.2010 bestätigte die Genossenschaft gegenüber dem Beklagten für den Fall des Auszuges des Klägers die Auszahlung der Genossenschaftsanteile sowie der anfallenden Dividende an den Beklagten. Durch Bescheid vom 07.09.2010 übernahm der Beklagte den Genossenschaftsanteil in Form eines rückzahlbaren Darlehens nach § 22 Abs. 3 S. 3 SGB II a.F. In dem Bescheid wird ausgeführt, dass zur Sicherung der Darlehensforderung der Kläger bereits den Rückzahlungsanspruch gegen seinen Vermieter für den Fall seines Auszugs aus der Wohnung an den Beklagten abgetreten habe. Sofern der Kläger vor dem Auszug aus der Wohnung finanziell zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens in der Lage sein solle, werde sich der Beklagte unaufgefordert wegen einer möglichen Rückzahlung an ihn wenden.
Seit dem 01.04.2011 behält der Beklagte monatlich 10,00 EUR zur Tilgung einer Forderung i.H.v. insgesamt 587,50 EUR ein. Voraussichtliches Ende dieser Tilgung ist im März 2016.
Durch Bescheid vom 23.10.2013 teilte der Beklagte mit, dass er ab dem 01.11.2013 den Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen i.H.v. 1.500,00 EUR in monatlichen Raten von zurzeit 38,20 EUR gegen den Leistungsanspruch des Klägers aufrechne und den Betrag einbehalten werde.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Rückzahlung sei noch nicht fällig. In dem Darlehensbescheid vom 07.09.2010 sei verbindlich festgelegt, dass die Rückzahlung nur fällig werde, wenn er aus der Wohnung ausziehe oder finanziell zur vorzeitigen Rückzahlung in der Lage sei. Diese Fälligkeitsvoraussetzungen seien nicht gegeben. Mangels fälligem Rückzahlungsanspruch greife die Aufrechnungsmöglichkeit des § 42a Abs. 2 SGB II nicht. Durch Widerspruchsbescheid vom 23.12.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Vorschrift des § 42a SGB II sei auch auf bis zum 31.03.2011 nicht aufrechenbare Darlehen anwendbar. Die in dem Bescheid vom 07.09.2010 geregelte Rückzahlungsverpflichtung bei Auszug aus der derzeitigen Wohnung stehe einer vorherigen Tilgung durch Aufrechnung nicht entgegen.
Am 09.01.2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Durch Beschluss vom 04.02.2014 ...