Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Grundsicherungsleistungen für einen arbeitsuchenden ausländischen Unionsbürger durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 ohne Öffnungsklausel für sog. Alt-Unionsbürger mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Weil sich diese Frage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend klären lässt, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Folgenabwägung vorzunehmen.
2. Nach der Rechtsprechung des EuGH können sich die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art. 39 Abs. 2 EG berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll.
3. Ist in der summarischen Prüfung des Eilverfahrens eine tatsächliche Verbindung des ausländischen Unionsbürgers zum deutschen Arbeitsmarkt glaubhaft gemacht, so sind bei bestehendem Anordnungsgrund dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen Leistungen des SGB 2 durch einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.08.2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Instanzen.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen vom 20.08.2009 ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237).
Das SG hat die Antragsgegnerin zu Recht einstweilen verpflichtet, den Antragstellern vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch für sechs Monate, monatlich 1.226,01 Euro an Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab dem 23.07.2009 zu bewilligen. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Den Antragstellern stehen bei der in Verfahren dieser Art gebotenen summarischen Prüfung Leistungen nach dem SGB II zu. Hinsichtlich des Antragstellers zu 2) ist dies zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind auch den Antragstellerinnen zu 1) und zu 3) Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Antragstellerin zu 1) hat das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht, ist erwerbsfähig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Antragstellerin zu 1) ist auch hilfebedürftig nach § 9 Abs. 1 SGB II. Sie verfügt über kein Einkommen und Vermögen.
Ob dem Anspruch der Antragstellerinnen die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegensteht, lässt sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend feststellen. Nach dieser Vorschrift besteht ein Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arb...