Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung des Verfahrensbeteiligten wegen überlanger Verfahrensdauer
Orientierungssatz
1. Eine Entschädigungsklage kann nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird auch nicht durch späteren Fristablauf zulässig; eine Heilung findet nicht statt.
2. Die Verzögerungsrüge ist materielle Anspruchsvoraussetzung. Ohne wirksame Verzögerungsrüge entsteht der Entschädigungsanspruch nicht. Sie wird nicht wirksam, wenn später tatsächlich eine unangemessene Verfahrensdauer eintritt.
3. Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird.
4. Ob eine unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, hängt davon ab, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten hat und ob deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt ist.
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
Er macht eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens S 32 AS 2694/15 Sozialgericht (SG) Duisburg geltend und begehrt Entschädigungszahlungen (Schriftsatz vom 17.11.2015). Im Ursprungsverfahren vor dem SG Duisburg hat der Antragsteller am 03.07.2015 Untätigkeitsklage gegen die Stadt F erhoben und die Bescheidung seines nicht unterschriebenen, unbezifferten und nicht begründeten Antrags vom 01.01.2015 "auf Erstattung von Bewerbungs- und Fahrtkosten zu" nicht näher bezeichneten "Bewerbungsgesprächen gem. § 16 SGB II i.V.m. § 44 SGB III" und "Gleichstellung gem. § 2 Abs. 3 SGB IX" begehrt. Das SG hat unter dem 24.08.2015 wegen der zahlreichen zwischen dem Antragsteller und der Stadt F anhängigen Rechtsstreitigkeiten und grundsätzlicher Probleme des Umgangs miteinander die Durchführung eines Güteverfahrens angeregt. Der Antragsteller hat hierzu nicht Stellung genommen und stattdessen am 17.11.2015 die Dauer des Verfahrens gegenüber dem SG gerügt sowie am selben Tag beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens beantragt.
II.
1. Der Senat ist gemäß § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 201 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GVG für die beabsichtigte Entschädigungsklage und damit auch für das damit verbundene Prozesskostenhilfeverfahren zuständig, da das zugrundeliegende Klageverfahren S 32 AS 2694/15 SG Duisburg im Bezirk des LSG Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde.
2. Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe.
Prozesskostenhilfe ist nach Maßgabe des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung nur zu bewilligen, wenn u.a. die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Erfolgsaussicht ist dabei regelmäßig ohne vollständig abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen, da die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Hauptsache treten zu lassen. Daraus folgt, dass an die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern überhaupt erst zugänglich machen. Prozesskostenhilfe ist allerdings zu verweigern, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 03.09.2013 - 1 BvR 1419/13 - und vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -).
Letzteres ist hier der Fall. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Senat das beklagte Land Nordrhein-Westfalen zur Zahlung einer Entschädigung an den Antragsteller verurteilen wird. Der Antragsteller hat die Entschädigungsklage und die Verzögerungsrüge verfrüht erhoben. Damit fehlt es an einer Sachurteils- und einer Anspruchsvoraussetzung.
a) Gegen einen Klageerfolg spricht zunächst, dass der Antragsteller die Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht gewahrt hat. Nach dieser Vorschrift kann eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird auch nicht durch späteren Fristablauf zulässig, eine Heilung findet nicht statt; diese Sachurteilsvoraussetzung ist jederzeit von Amts wegen zu beachten (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/14 R ; Beschluss des Senats vom 24.03.2014 - L 11 SF 327/13 EK AS -).
Der Antragsteller hat am selben Tag Verzögerungsrüge und Klage...