Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine juristische Person
Orientierungssatz
1. Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine juristische Person ist gegenüber einer natürlichen Person zusätzlich erforderlich, dass Umstände dargelegt werden, aufgrund deren anzunehmen ist, dass eine Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
2. Der Anwendungsbereich des § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO beschränkt sich auf Sachverhalte, die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können. Das ist u. a. dann anzunehmen, wenn von einem Rechtsstreit die Existenz eines Unternehmens abhängt, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht. Dies ist nicht der Fall, wenn das Unternehmen den Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hat.
3. Ebenso wenig reicht es zur Begründung eines allgemeinen Interesses aus, dass bei der Entscheidung des Rechtsstreits Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung zu beantworten sind, weil es hierfür auf die Wirkungen des konkreten Rechtsstreits ankommt und nicht auf die Wirkung der bei der Entscheidung zu beantwortenden Rechtsfragen.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13.3.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, eine GmbH & Co. KG, begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 30.8.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.2011, soweit diese darin Beiträge für zwei nach ihrer Auffassung sozialversicherungspflichtig beschäftigte Betriebsleiter nachfordert. Die Klägerin, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat, hält den Bescheid für unvereinbar mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.11.2005 (B 12 RA 1/04 R).
Das Sozialgericht (SG) hat die Bewilligung von PKH abgelehnt, weil jedenfalls die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht vorlägen. Denn es sei nicht ersichtlich, welchen allgemeinen Interessen die Unterlassung der Rechtsverfolgung durch die Klägerin zuwider laufen sollte, da diese keine allgemeinen Interessen verfolge oder zumindest fördere und hierzu auch keinerlei Anhaltspunkte glaubhaft gemacht habe (Beschluss v. 13.3.2012).
Mit der am 19.4.2012 gegen den am 19.3.2012 zugestellten Beschluss erhobenen Beschwerde macht die Klägerin geltend, die durch den vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen seien höchstrichterlich klärungsbedürftig. Die Unterlassung der Rechtsverfolgung laufe allgemeinen Interessen zuwider, da die Entscheidung erhebliche Kreise der Wirtschaftsteilnehmer anspreche und insofern offenkundige soziale Wirkungen nach sich ziehen würde.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass allgemeine Interessen im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO damit nicht dargelegt seien.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Die Beschwerde ist statthaft. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) greift nicht ein. Danach ist eine Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH nur dann unzulässig, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint. Das ist hier jedoch nicht geschehen. Das SG hat die Bewilligung von PKH vielmehr mit der Begründung abgelehnt, es lasse sich nicht feststellen, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderliefe. Anders als bei den anderen in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO geregelten Voraussetzungen, die eine juristische Person zusätzlich gegenüber einer natürlichen Person erfüllen muss, um PKH zu bekommen, knüpft dieses Merkmal gerade nicht an persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse der juristischen Person, sondern an außerhalb ihrer selbst liegende öffentliche Belange an. Es wird daher von der - als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden - Bestimmung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 11.8.2009, L 8 B 8/09 R, juris).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, hat die Klägerin keine Umstände dargelegt, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
a) Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich auf Sachverhalte, die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können. Ein allgemeines Interesse kann angenommen werden, wenn außer den an der Führung des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen würde. Davon ist z.B. auszugehen, wenn die Vereinigung ohne die Durchführung des Rechtsstreits gehindert wäre, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn von dem Rechtsstreit die Existenz ...