Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. behindertes Kind. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Integrationshelfer. Besuchs einer integrativen Kindertagesstätte

 

Orientierungssatz

1. Zu den Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 SGB 9 zählen bei Kindern, die noch nicht eingeschult sind, ua heilpädagogische Maßnahmen. Der Leistungskatalog des § 55 SGB 9 ist nicht abschließend aufgezählt (vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R = SozR 4-3500 § 54 Nr 6). Zu den möglichen Leistungen gem § 55 SGB 9 gehört bei behinderten Kindern im kindergartenfähigen Alter auch die Kostenübernahme für den Einsatz eines Integrationshelfers zum Zweck des Kindergartenbesuchs.

2. Besteht wegen der medizinisch gesicherten Selbst- und Fremdgefährdung des Kindes die Notwendigkeit einer besonders engmaschigen Betreuung während des Kita-Besuchs, welcher ohne den Einsatz eines eigens für das Kind vorgesehenen Integrationshelfers zumindest in einer Weise erschwert ist, dass ein geregelter Ablauf der Betreuung unter Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs weiterer zu betreuender Kinder nicht mehr gewährleistet ist, so ist der Sozialhilfeträger zur Kostentragung für den Integrationshelfer in einem zeitlich festzulegenden Umfang im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten.

3. Die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers hierzu besteht außerhalb des Kernbereichs pädagogischer Arbeit solange und soweit die Kindertagesstätte eine entsprechende Hilfe nicht erbringen kann. Ob sie hierzu verpflichtet ist, ist unerheblich. Der Sozialhilfeträger muss ggf mittels einer Überleitungsanzeige nach § 93 SGB 12 beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen (vgl BSG vom 2.2.2010 - B 8 SO 23/08 R = BSGE 104, 219-227).

4. Ein auch nach dem 6. Kapitel des SGB 12 dem Grunde nach Leistungsberechtigter kann nur dann auf vorrangige Leistungen iS des § 2 Abs 1 SGB 12 verwiesen werden, wenn diese ohne Weiteres durchsetzbar sind.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 24.04.2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

Die am 15.05.2013 eingegangene Beschwerde des Antragsgegners gegen den ihm am 29.04.2013 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 24.04.2013, mit der er sich gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung auferlegte Verpflichtung wendet, vorläufig die Kosten eines Integrationshelfers für die Antragstellerin während des Besuchs der Integrativen Kindertagesstätte der B, N-straße 00, I, für 25 Stunden wöchentlich für die Zeit ab 24.04.2013 für die Dauer von 10 Monaten, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit dem Az.: S 16 SO 57/13 zu übernehmen, hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im tenorierten Umfang zu Recht für begründet erachtet. Der Senat nimmt gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG) zunächst Bezug auf die von ihm für zutreffend erachteten Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Auch das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners vermag keine ihm günstigere Entscheidung des Senats herbeizuführen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B - Juris-Rdnr. 6; Senat, Beschluss vom 23.07.2013 - L 9 SO 225/13 B ER, L 9 SO 226/13 B - Juris-Rdnr. 8).

Hierbei ist zu beachten, dass Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - (GG) besond...

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