Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenbeschluss bei Verfahrensbeendigung ohne Urteil. Kostenerstattung. Ermessen. Erfolgsaussicht. Veranlassungsprinzip. Verschlechterung des Gesundheitszustands
Orientierungssatz
1. Endet ein Verfahren anders als durch Urteil, so entscheidet das Gericht durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Dem beklagten Sozialversicherungsträger sind Kosten dann aufzuerlegen, wenn er Veranlassung zur Klageerhebung oder zur Fortführung des Verfahrens gegeben hat.
2. Hatte die Klage im Zeitpunkt, in dem sie erhoben worden ist, keine Aussicht auf Erfolg, so sind dem Beklagten außergerichtliche Kosten des Klägers nicht aufzuerlegen.
3. Ist der Grund für den Erfolg der Klage erst nach Klageerhebung eingetreten, so ist es schon deshalb nicht gerechtfertigt, dem Beklagten Kosten aufzuerlegen, weil der Kläger sein nunmehr erreichtes Klageziel auch mit einem Änderungs- oder Überprüfungsantrag hätte erreichen können.
Normenkette
SGG § 193; SGB X § 44
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 05. April 2006 geändert. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin nach vergleichsweiser Erledigung des Klageverfahrens Kosten zu erstatten hat.
Mit Bescheid von September 2000 stellte der Beklagte bei der 1951 geborenen Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) wegen der Gesundheitsstörungen
1. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 30)
2. Verlust der Eierstöcke nach der Heilungsbewährung (GdB 10)
fest. Im April 2005 beantragte die Klägerin die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB). Zur Begründung gab sie an, ihr Bluthochdruckleiden und ihr Rückenleiden hätten sich verschlimmert. Die Beine würden häufig wegknicken und sie habe starke Schmerzen im rechten Schultergelenk. Desweiteren leide sie an Schlafstörungen.
Der Beklagte holte einen Bericht des von der Klägerin angegebenen behandelnden Hausarztes Dr. N vom 27.05.2005 mit Fremdarztbericht des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin von F vom 25.08.2004 ein. Anschließend stellte er mit Bescheid vom 20.06.2005 fest, dass die Klägerin außer an den bisher bekannten Gesundheitsstörungen an einer Funktionsstörung des rechten Kniegelenks (GdB 10) und einem Bluthochdruck (GdB 10) leide. Der Gesamt-GdB sei weiter mit 30 zu bewerten.
Auf den Widerspruch der Klägerin vom 27.06.2005, in dem diese bat, Facharztberichte einzuholen, zog der Beklagte einen Bericht des Kardiologen Dr. S vom 21.07.2005 und einen Bericht des Arztes von F vom 17.08.2005 bei. Letzterer teilte u.a. mit, dass er die Klägerin wegen beginnender depressiver Verhaltensauffälligkeiten im Mai 2004 in psychiatrische Mitbehandlung überwiesen habe. Eine Erkrankung auf psychischem Gebiet nannte er bei den von ihm festgestellten Diagnosen nicht. Nach Auswertung dieser Unterlagen ließ der Beklagte die Klägerin durch die Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin, S1 begutachten. Bei der Untersuchung gab die Klägerin an, eine ambulante Psychotherapie wegen familiärer Probleme abgebrochen zu haben. In ihrem Gutachten vom 04.10.2005 bestätigte Frau Dr. S1 die bisherigen Feststellungen des Beklagten. Im Bereich der Psyche erhob sie einen geordneten, orientierten, subdepressiven Befund mit Verdacht auf eine Schmerzverarbeitungsstörung. Eine Behinderung im Sinne des SGB IX stellte sie diesbezüglich nicht fest. Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2005 zurück.
Die Klägerin hat am 03.11.2005 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Detmold mit dem Begehren erhoben, einen höheren GdB als 30 festzustellen. Ihre Leiden hätten sich weiter verschlimmert. Hinzugekommen seien handchirurgische Probleme. Hierzu hat sie zwei Atteste betreffend das Wirbelsäulenleiden und das Handleiden überreicht. Mit weiterem Schreiben vom 14.12.2005 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei ihr eine mehrschichtige Depressionssymptomatik bestehe. Dies habe der Psychiater Dr. X in einer Untersuchung vom 07.12.2005 festgestellt. Einen entsprechenden Bericht des Dr. X vom 08.12.2005 fügte sie zur Kenntnis bei. Nach Auswertung dieses Berichts unterbreitete der Beklagte mit Schreiben vom 23.01.2006 einen Regelungsvorschlag und erklärte sich bereit, ein psychisches Leiden ab Dezember 2005 mit einem GdB von 20 und den Gesamt-GdB ab diesem Zeitpunkt entsprechend mit 40 anzunehmen. Dieses Angebot hat die Klägerin angenommen und beantragt, dem Beklagten die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Das SG hat mit Beschluss vom 05.04.2006 entschieden, dass der Beklagte die erstattungsfähigen Kosten der Klägerin zur Hälfte zu tragen habe. Nach billigem Ermessen sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit dem Vergleich einen Teilerfolg erzielt habe. Dieser Teilerfolg sei erst nach Klageerhebung ein...