Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussicht. persönliche Arbeitslosmeldung -Vertretung bei gesundheitlichen Einschränkungen. persönliches Erscheinen des Vertreters
Orientierungssatz
Die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage als Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gegeben, soweit die schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfrage zu klären ist, ob auch der Vertreter nach § 125 Abs 1 S 3 SGB 3 zum persönlichen Erscheinen bei der Agentur für Arbeit verpflichtet ist..
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.01.2007 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin L M, N Str. 00, N, beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Am 20.01.2006 beantragte der zum Betreuer des Klägers bestellte Rechtsanwalt I unter Vorlage einer Kopie des Bestellungsbeschlusses bei der Beklagten schriftlich die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Nach eigenen Angaben hatte er einen entsprechenden Antrag bereits am 12.01.2006 bei der ARGE Neuss gestellt. Mit Bescheid vom 23.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil weder der Kläger noch ein legitimierter Vertreter eine persönliche Arbeitslosmeldung abgegeben habe. Auf eine Vorsprache im April 2006 hin hat die Beklagte dem Kläger Alg für 450 Kalendertage ab dem 20.04.2006 bewilligt.
Mit der Klage begehrt der Kläger Alg bereits ab dem 12.01.2006. Hierzu trägt er vor, er sei aus gesundheitlichen Gründen zu einer früheren persönlichen Arbeitslosmeldung nicht in der Lage gewesen. Bei Meldung durch einen Vertreter müsse dieser - anders als der Arbeitslose selbst - nicht persönlich bei der Agentur für Arbeit erscheinen.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwältin M mangels Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt (Beschluss vom 16.01.2007). Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfeentscheidung vom 02.02.2007), ist begründet.
Anspruch auf Bewilligung von PKH hat ein Beteiligter nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), wenn er die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Der Kläger hat zum Zeitpunkt des Antrags auf PKH über keine Einkünfte verfügt. Der Kläger hatte auch kein einzusetzendes Vermögen: Das bei der Sparkasse O bestehende Bankguthaben mit einem Saldo von 1.994,01 EUR bleibt als Schonvermögen außer Betracht. Die vormals im Miteigentum des Klägers befindliche Immobilie wurde im Rahmen der Zwangsversteigerung verwertet, ohne dass hieraus ein Übererlös hervorgegangen ist.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das Merkmal der "hinreichenden Erfolgsaussichten" in § 114 ZPO ist insbesondere bei Klagen gegen Akte öffentlicher Gewalt im Lichte des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz [GG]) sowie des Prinzips der Rechtsschutzgleichheit (Art 3 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 3 GG) auszulegen. Danach besitzt ein entsprechendes Rechtsschutzbegehren in der Regel schon dann hinreichende Erfolgsaussichten, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, Beschluss v. 24.07.2002, 2 BvR 2256/99, NJW 2003, 576; Beschluss v. 12.01.1993, 2 BvR 1584/92; Beschluss v. 30.10.1991, 1 BvR 1386/91, NJW 1992, 889; Beschluss v. 29.06.1990, 1 BvR 358/90; grundlegend: BVerfG, Beschluss v. 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356 ff.; zuletzt Senat, Beschluss v. 13.11.2006, L 1 B 40/06 AS; sozialgerichtsbarkeit.de).
Eine solche Rechtsfrage wirft der vorliegende Fall dahingehend auf, ob auch im Falle der Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter nach § 125 Abs. 1 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch dessen persönliches Erscheinen bei der Agentur für Arbeit erforderlich ist.
Zwar hat sich ein Arbeitsloser grundsätzlich nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Ist er hieran jedoch wegen gesundheitlicher Einschränkungen gehindert, so kann die Meldung nach § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III durch einen Vertreter, also auch durch einen gerichtlich bestellten Betreuer (§ 1902 Bürgerliches Gesetzbuch), erfolgen. Die Regelung soll verhindern, dass ein Leistungsanspruch nicht entstehen kann, weil der Betroffene etwa wegen akuter gesundheitlicher Beeinträchtigungen die Agentur nicht persönlich aufsuchen kann (vgl. BT-Drucks. 13/4941, S. 177). Dieser Schutzzweck legt es nahe, die Anforderungen an die Arbeitslosmeldung durch...