Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Begründung des besonderen Interesses. keine Nachholung einer fehlenden oder unzureichenden Begründung

 

Orientierungssatz

1. An die Begründung des besonderen Interesses an einer Anordnung der sofortigen Vollziehung sind hohe Anforderungen zu stellen. Sie muss erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse eines Beteiligten am Sofortvollzug überwiegt und warum dies dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das den Sofortvollzug tragende öffentliche oder individuelle Interesse ("besonderes Interesse") muss mehr als das den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse sein, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes reichen für die Begründung des Sofortvollzugs nicht aus (vgl LSG Essen vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA). Etwas anders mag nur dann gelten, wenn das besondere Vollzugsinteresse schon aus der Eigenart der Regelung folgt (vgl LSG Essen vom 6.1.2004 - L 11 B 17/03 KA ER).

2. Eine Unterbrechung im notwendigen Leistungsangebot indiziert (lediglich) einen Ermächtigungsbedarf, rechtfertigt hingegen noch nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

3. Die Behörde ist gehindert, eine fehlende Begründung nachzuholen (vgl LSG Essen vom 6.1.2004 - L 11 B 17/03 KA ER) oder eine unzureichende Begründung auszuwechseln.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.04.2010 abgeändert. Die mit Beschluss des Antragsgegners vom 24.09.2008 angeordnete sofortige Vollziehung der Entscheidung wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

Der Antragsgegner und der Beigeladene zu 6) tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner je zur Hälfte.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die dem Beigeladenen zu 6) erteilte Ermächtigung für sofort vollziehbar erklärt werden durfte.

Der Beigeladene zu 6) ist Facharzt für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Gefäßchirurgie und Oberarzt der Gefäßchirurgischen Klinik am F Krankenhaus N. Er ist seit 1988 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Auf seinen Erneuerungsantrag erteilte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf für die Zeit bis zum 31.03.2011 folgende Ermächtigung

Auf Überweisung von Fachärzten für Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Gefäßchirurgie, Fachärzten für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Angiologie und Fachärzten für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Kardiologie:

I. Konsiliarische Beratung eines Vertragsarztes und erforderlichenfalls Untersuchung des überwiesenen Patienten, begrenzt auf die Frage der Notwendigkeit einer stationären Behandlung im Bereich der Gefäßchirurgie

- § 115 a SGB V ist in Bezug auf die vorstationäre Behandlung zu beachten -

II. Besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, begrenzt auf:

1. Duplex- und Dopplersonographie der hirnversorgenden Arterien

2. Venendruckmessung

III. Ambulante Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung im Einvernehmen mit dem behandelnden Vertragsarzt, außerhalb der Frist gemäß § 115 a SGB V, begrenzt bis zum Ablauf des auf die Entlassung folgenden Quartals - der Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus ist auf dem Behandlungsausweis zu vermerken.

Ausgenommen sind die vom Krankenhausträger nach § 115 b SGB V angezeigten Leistungen.

Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Antragstellerin u.a. geltend, dass für eine neuerliche Ermächtigung kein Bedarf bestehe, da zwischenzeitlich einem anderen Gefäßchirurgen eine Sonderbedarfszulassung erteilt worden sei. Mit Beschluss vom 24.09.2008 wies der Antragsgegner den Widerspruch unter sofortiger Vollziehung der Entscheidung zurück. Andere Ärzte seien nicht in der Lage, die bisher vom Beigeladenen zu 6) erbrachten Leistungen mit zu übernehmen. Es bestehe weiterhin ein Überhang an Leistungsnachfrage, der nur durch eine Erneuerung der Ermächtigung ausgeglichen werden könne. Die sofortige Vollziehung der Entscheidung werde angeordnet, weil dies erforderlich sei, um keine Unterbrechung im notwendigen Leistungsangebot auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie und damit einen vermeidbaren Versorgungsengpass eintreten zu lassen.

Diese Entscheidung hat die Antragstellerin mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg angegriffen (S 19 KA 13/08) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hat vorgetragen: Der angeordnete Sofortvollzug sei unzureichend begründet worden. Der Antragsgegner habe die Bedarfslage hinsichtlich gefäßchirurgischer Leistungen im Planungsbereich Mülheim nicht geprüft, sich vielmehr allein auf die Angaben des Beigeladenen zu 6) in der Sitzung vom 24.09.2008 gestützt. Für die streitige Ermächtigung bestehe kein Bedarf (wird weiter ausgeführt). Schon deswegen sei ein öffentliches Interesse am Sofortvollzug nicht gegeben. Im Übrigen habe der Beigeladene zu 6) trotz des angeordneten Sofor...

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