Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsausschluss für EU-Ausländer. Anspruch auf vorläufige Leistungsgewährung während eines Vorlageverfahrens zum EuGH. Anforderung an den Verfügungsgrund im Eilverfahren über Grundsicherungsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Solange über die Frage der Zulässigkeit eines gesetzlichen Leistungsausschlusses für EU-Ausländer im System der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Vorlageverfahren am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) anhängig ist, haben Betroffene, die im Übrigen die Leistungsvoraussetzungen erfüllen, einen Anspruch auf vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen. Dies gilt auch dann, wenn der Sozialleistungsträger bereits einen Ablehnungsbescheid erlassen hat, solange dieser nicht bestandskräftig ist.

2. Im einstweiligen Verfügungsverfahren über die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen besteht ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Gewährung von Kosten der Unterkunft nicht erst dann, wenn eine Räumungsklage erhoben wurde (Aufgabe LSG NRW Beschluss vom 19. Mai 2014, L 19 AS 805/14). Vielmehr sind zur Beurteilung eines wesentlichen Nachteil als Anordnungsgrund alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich finanzielle Aspekte bei der Beschaffung neuen Wohnraums.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.01.2015 wird geändert. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt A beigeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 17.12.2014 bis zum 16.06.2015 vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1200 EUR monatlich, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu zahlen.

Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt A bewilligt.

 

Gründe

Die Antragsteller begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der im Jahr 1977 geborene Antragsteller zu 1), seine 1981 geborene Partnerin (Antragstellerin zu 2)) und die 1994 und 2000 geborenen gemeinsamen Töchter (Antragstellerinnen zu 3) und 4)) sind bulgarische Staatsbürger. Sie leben seit Februar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Antragsteller zu 1) hatte zunächst eine geringfügige Arbeit als Helfer gefunden. Diese übte er bis zum 20.05.2014 aus.

Auf ihren Antrag von April 2014 wurden zunächst nur dem Antragsteller zu 1) Leistungen bewilligt. Nach Widersprüchen und einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren wurden dann in der Folge auch den beiden Töchtern und später auch der Lebenspartnerin des Klägers Leistungen zuerkannt. Auf diese wurde anfänglich Kindergeld, das (noch) nicht gezahlt wurde, angerechnet. Seit April 2014 wurden mindestens zehn Änderungsbescheide und entsprechende Nachzahlungen erforderlich.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 12.09.2014 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.09.2014 Leistungen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.10.2014 bis zum 20.11.2014. Mit Schreiben vom 12.11.2014 stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller einen Antrag auf Korrektur des Bescheides vom 25.9.2014 mit der Begründung, es sei nicht ersichtlich sei, warum die Leistungen nur bis zum 20.11.2014 bewilligt worden seien. Den Antrag wertete der Antragsgegner als Antrag nach § 44 SGB X ein und lehnte ihn durch Bescheid vom 19.12.2014, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 18.2.2015 ab. Hiergegen ist ein Klageverfahren anhängig.

Am 17.12.2014 haben die Antragsteller beim SG Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Dazu haben sie Kontoauszüge vorgelegt, aus denen sich eine Nachzahlung am 17.09.2014 i.H.v. rund 3246 EUR ergab, weitere in den Monaten Juli bis Oktober 2014. Den Auszug mit der Nr. 13, der auf die Nachzahlung vom 17.09.2014 folgte, haben sie zunächst nicht vorgelegt. Nach Erinnerung an die Übersendung des Auszuges hat das Sozialgericht wenige Werktage später mit Beschluss vom 07.01.2015 beide Anträge mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, da der fehlende Kontoauszug nicht vorgelegt worden sei.

Gegen den am 08.01.2015 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 06.02.2015 Beschwerde erhoben. Sie tragen vor, aus dem fehlenden Kontoauszug gehe lediglich hervor, dass das Geld aus den Nachzahlungen abgehoben worden sei. Diese Barabhebungen seien erfolgt, um die Darlehen zurückzuzahlen, die die Bedarfsgemeinschaft im Mai und Juni zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und zur Zahlung der Miete von Freunden und Bekannten erhalten hätten. Der Antragsteller zu 1) übe seit dem 09.12.2014 wieder eine geringfügige Beschäftigung aus. Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich, dass die Beschäftigung befristet ist. I...

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