Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung. Erledigungserklärung. isolierte Anfechtung von behördlichen Verfahrenshandlungen
Orientierungssatz
1. Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG trifft das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage maßgeblich sind. War die Klage zulässig und begründet, muss der Beklagte die Kosten in der Regel tragen, wobei sich die Kostenentscheidung nicht ausschließlich an der materiellen Rechtslage orientiert (Aufrechterhaltung LSG Essen, Beschluss vom 05.03.2007 - L 17 B 26/06 U).
2. Der Rechtsgedanke der Norm des § 44a S. 1 VwGO, die unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gilt, ist auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragbar. Danach können behördliche Verfahrenshandlungen oder angebliche Ermittlungsmängel vor Gericht nicht isoliert angefochten oder durchgesetzt werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 14.12.1988 - 9/4b RV 55/86).
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 29. Mai 2007 nicht abgeholfen hat, ist unbegründet.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 102 Satz 3, 2. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das gerichtliche Verfahren anders als durch Urteil endet. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Denn die Klägerin hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Diese Erklärung ist prozessrechtlich als Klagerücknahme auszulegen (§ 102 Satz 2 SGG).
Über die Frage, ob die Beklagte der Klägerin außergerichtliche Kosten erstatten muss, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage maßgeblich sind (Senatsbeschluss vom 05. März 2007, L 17 B 26/06 U; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen [NW], Beschlüsse vom 20. Dezember 2002, Az.: L 3 B 19/02 P, vom 09. Mai 2003, Az.: L 3 B 7/02 RJ und vom 19. September 2003, Az: L 3 B 4/03 RJ und L 3 B 1/03 RA; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 193 Rn. 13). War die Klage zulässig und begründet, muss der Beklagte die Kosten in der Regel tragen, wobei sich die Kostenentscheidung nicht ausschließlich an der materiellen Rechtslage orientiert. Innerhalb seines weiten Ermessensspielraums kann das Gericht auch Billigkeitsgesichtspunkte wie den (allgemeinen) Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) berücksichtigen (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 29. April 2003, Az.: VI R 140/90, NJW 2003, 2631; Senatsbeschluss a.a.O.; LSG NW, Beschluss vom 19. September 2003, Az.: L 3 B 4/03 RJ). Legt man diese Kriterien zugrunde, ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerin "Untätigkeitsklage" erhoben hat (so die Überschrift der Klageschrift vom 31. Juli 2006 und ausdrücklich noch einmal im Schriftsatz vom 05. September 2006), war diese Klage unzulässig. Denn die Voraussetzungen des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG waren nicht erfüllt, weil diese Vorschrift einen "Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes" i.S.d. § 31 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) verlangt. Die Klägerin begehrte im Klageverfahren aber nicht die Erteilung eines förmlichen Verwaltungsaktes, sondern die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen an ihrem Arbeitsplatz. Die Vornahme schlicht-hoheitlicher (Amts-)handlungen oder Realakte kann mit der Untätigkeitsklage aber nicht durchgesetzt werden (Eschner in: Jansen, SGG, 2. Aufl. 2005, § 88 Rn. 4; Ulmer in: Henning, SGG, § 88 Rn. 6).
Richtige Klageart war daher die echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG), die aber ebenfalls unzulässig war. Denn behördliche Verfahrenshandlungen oder angebliche Ermittlungsmängel können vor Gericht nicht isoliert angefochten oder durchgesetzt werden, wie sich aus § 44a Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergibt. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Der Rechtsgedanke dieser Norm, die unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gilt, ist auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragbar. Es handelt sich nämlich um einen Rechtsgedanken des allgemeinen Verfahrensrechts, Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen - oder -versäumnissen zu verzögern oder zu erschweren. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb § 44a Satz 1 VwGO wiederholt herangezogen (BSG, Urteile vom 14. Dezember 1988, Az.: 9/4b RV 55/86, SozR 1500 § 144 Nr. 39 und vom 10. Dezember 1992, Az.: 11 RAr 71/91, BB 1993 ,1443, 1444), zumal § 172 Abs. 2 SGG in ve...