Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Regressbescheid des Beschwerdeausschusses

 

Orientierungssatz

1. Der Gesetzgeber hat der sofortigen Vollziehbarkeit von Regressbescheiden des Beschwerdeausschusses gegen einen Vertragsarzt generell ein öffentliches Interesse beigemessen. Deshalb ist die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Festsetzung eines Regresses durch den Beschwerdeausschuss nach Durchführung einer Richtgrößenprüfung in § 106 Abs. 5 a S. 11 SGB 5 ausdrücklich ausgeschlossen. Damit wird das besondere Interesse an der effektiven Umsetzung der vereinbarten Richtgrößen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen geschützt.

2. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist daher nur gerechtfertigt, wenn im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, aufgrund derer dem Schutz des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist. Wurde dem Ratenzahlungsantrag des Vertragsarztes als Schuldner in einer diesen nicht überfordernden Weise seitens des Beschwerdeausschusses entsprochen, so fehlt es am Vorliegen der für die Bewilligung von Eilrechtsschutz erforderlichen besonderen Gründe.

3. Macht der Vertragsarzt zur Minderung des Regressanspruchs die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten geltend, so ist deren Vorliegen grundsätzlich im Hauptsacheverfahren und nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu überprüfen. Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind. Es ist Sache des geprüften Arztes, Praxisbesonderheiten darzulegen und nachzuweisen.

4. Im Rahmen der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen hat der Arzt eine besondere Mitwirkungspflicht. Allein der pauschale Hinweis auf sog. Praxisschwerpunkte und damit verbundene Kosten ebenso wie die Angabe einzelner Schwerstkranker reicht nicht aus.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.03.2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf anhängigen Klage des Antragstellers in dem Rechtsstreit S 33 KA 534/10.

Der Antragsteller ist als praktischer Arzt in E zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) E vom 01.02.2003 - 000 - wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit weiterem Beschluss des AG vom 25.02.2010 wurde dem Antragsteller die Restschuldbefreiung erteilt; die Schlussverteilung wurde noch nicht vollzogen, so dass das AG das Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben hat.

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein (Prüfungsstelle) setzte gegen den Antragsteller mit Bescheid vom 15.07.2009 wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen im Jahre 2007 einen Regress i.H.v. 25.704,60 EUR fest. Der Bescheid wurde sowohl dem Antragsteller als auch dem Insolvenzverwalter übersandt, die beide - der Insolvenzverwalter vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei G u.a. - Widerspruch einlegten. Der Insolvenzverwalter verwies u.a. darauf, dass der Insolvenzbeschlag für den Neuerwerb ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungserklärung, also dem 01.02.2009, entfallen sei, so dass ab diesem Zeitpunkt ausschließlich dem Antragsteller die Umsätze aus seiner beruflichen Tätigkeit zuständen; Zahlungen an die Insolvenzmasse seien damit nicht mehr vorzunehmen (Schreiben vom 03.03.2010).

Der Antragsgegner wies den Widerspruch des Antragstellers mit sowohl dem Antragsteller als auch dem Insolvenzverwalter zugestelltem Bescheid vom 08.11.2010 zurück.

Dagegen hat der Antragsteller am 18.11.2010 beim SG Düsseldorf - S 33 KA 534/10 - Klage mit dem Antrag erhoben, den Bescheid vom 08.11.2010 aufzuheben. Am 23.11.2010 hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage herzustellen, beantragt.

Mit Bescheid vom 04.02.20011 hat die Beigeladene zu 7) dem Antragsteller seinem Antrag entsprechend unter Einbeziehung eines Regresses für das Jahr 2006 Ratenzahlungen in der Form bewilligt, dass die Rückzahlung durch Kürzung der monatlichen Abschlagszahlungen von Februar 2011 bis April 2018 i.H.v. jeweils 1.100,00 EUR und im Mai 2018 i.H.v. 535,01 EUR erfolgt. Weiter wurde bestimmt, dass bei Beendigung der vertragsärztlichen Praxis der noch offen stehende Betrag sofort fällig wird (Bescheid vom 04.02.2011).

Das SG hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 02.03.2011 abgelehnt: Der Gesetzgeber habe der sofortigen Vollziehbarkeit von Regressbescheiden generell ein öffentliches Interesse beigemessen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sei deshalb nur gerechtfertigt, wenn im Einzelfall besondere Gründe vorlägen, aufgrund derer dem Schutz des Antragstell...

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