Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zur Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz. Substitutionspflicht des Apothekers bei der Herstellung von Arzneimitteln

 

Orientierungssatz

1. Zur Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz ist u. a. die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes erforderlich. Trägt der Antragsteller vor, in seiner Existenz gefährdet zu sein, so muss er eine entsprechende wirtschaftliche Situation glaubhaft machen und nachvollziehbar darlegen, dass diese auf die angegriffene Maßnahme zurückzuführen ist.

2. Macht ein Apotheker geltend, dass ihm bei der Herstellung von Arzneimitteln bei Nichtbeachtung der von der Krankenkasse angeordneten Substitutionspflicht Retaxierungen und Vertragsstrafen drohten, so ist dies zur Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsgrundes nicht ausreichend.

3. Die Substitutionspflicht betrifft die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit. Sie dient der Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Gemeinwohl hat Vorrang vor der ungehinderten Berufsausübungsfreiheit. Ebensowenig ist Art. 14 GG verletzt.

4. Ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist es, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Schützenswert ist das Allgemeininteresse, dass die Substitutionsverpflichtung nach § 129 Abs. 1 S. 4 SGB 5 umgesetzt wird und Wirtschaftlichkeitsinteressen realisiert werden.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.12.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin zur Substitution durch ein rabattbegünstigtes Fertigarzneimittel bei der Herstellung parenteraler Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie verpflichtet ist.

Die Antragstellerin ist Apothekerin und stellt aus Fertigarzneimitteln parenterale Zubereitungen zur unmittelbaren Anwendung in der Onkologie her. Sie bedient sich dabei eines eigenen Reinraumlabors und kauft die für die Herstellung erforderlichen Wirkstoffe vorwiegend direkt bei Herstellern, teilweise auch bei Großhändlern. Die selbst hergestellten Zubereitungen liefert sie an kooperierende onkologische Arztpraxen.

Sie wendet sich dagegen, aufgrund des von den Antragsgegnerinnen im Wege des Open-House-Verfahrens abgeschlossenen Rabattvertrags seit dem 01.12.2017 verpflichtet zu sein, zur Herstellung von Zytostatika die rabattbegünstigten Fertigarzneimittel/Wirkstoffe der dem Rabattvertrag beigetretenen pharmazeutischen Unternehmen verwenden zu müssen. Im Vergleich mit der bisherigen Belieferungssituation bewirke diese Substitutionspflicht eine unzumutbare Verschlechterung. So führe die Handhabung im Reinraumlabor durch die zusätzliche Anwendung der vorgegebenen Fertigarzneimittel zu einer erhöhten Gefährdung bei der Herstellung (Verwechslungsgefahr). Es bestünden Zweifel an der Qualität der zu beziehenden Produkte, da jeder pharmazeutische Unternehmer dem Open-House-Vertrag beitreten könne. Eine Qualitätssicherung fehle. Die neuen Hersteller gewährleisteten keine ausreichend zuverlässige und pünktliche Lieferfähigkeit. Bei regelhaft kurzfristigem Zytostatikabedarf wirke sich das auf die dann nicht mehr ausreichende Versorgungssicherheit der Patienten aus. Darüber hinaus könne sie nicht mehr - wie zuvor - zuverlässige Stabilitätsdaten von den Herstellern erhalten, die sie für die Beurteilung der Verwendung angebrochener Arzneimittelpackungen und zur möglichst weitgehenden Vermeidung von Verwürfen benötige. Zudem stelle das Open-House-Verfahren mit kurzfristigen Wechseln der anbietenden Hersteller binnen 14 Tagen eine unzumutbar dynamische Umstellungspflicht dar. Die bislang durch die Antragsgegnerinnen ausgeschriebenen Wirkstoffe seien marktstarke Produkte, die in der Vergangenheit zur Querfinanzierung von weniger ertragreichen Zytostatika gedient hätten. Diese Ausgleichsmöglichkeit entfalle nun.

Die ihr auferlegte Pflicht, rabattbegünstigte Fertigarzneimittel zu substituieren, verstoße gegen die geltende Rechtslage. Die gesetzgeberische Vorgabe, die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten sicherzustellen (§ 130a Abs. 8a Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)), werde nicht beachtet (wird ausgeführt). Darüber hinaus berücksichtigten die Antragsgegnerinnen nicht die gesetzliche Verknüpfung von Rabattverträgen, Hilfstaxe und Rahmenvertrag gemäß § 129 Abs. 2 SGB V. So sei es ihnen nicht gestattet, eine Leistungspflicht der Apotheker zur Substitution mit rabattbegünstigten Arzneimitteln zu fordern, wenn die damit verbundene Vergütungspflicht (Höhe der Preise) noch nicht festgelegt sei. Die in § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V normierte Pflicht, die Hilfstaxe neu zu bestimmen, sei noch nicht umgesetzt. Des Weiteren fehle es an dem gesetzlich vorgegebenen Rahmenvertrag (§ 129 Abs. 2 SGB V), der die Besonderheiten bei der Herstellung und Abrechnung von Zytostatika berücksichtige. Darin sei z.B. zu regeln, welcher Vertragspartner bzw. Vertragsunterworfene ...

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