Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen der Leistungspflicht der Krankenkasse für zahnärztliche Leistungen

 

Orientierungssatz

1. Grundsätzlich sind implantologische Leistungen nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB 5 von der zahnärztlichen Behandlung ausgeschlossen.

2. Eine Ausnahmeindikation läge u. a. nach der BehandlRL-ZÄ Teil B VII Nr. 29 Nr. 2a vor, wenn größere Kiefer- und Gesichtsfelddefekte ihre Ursache in Entzündungen des Kiefers hätten und wenn eine konventionelle Versorgung ohne Implantate nicht möglich wäre. Soll der Zahnersatz lediglich zur Verbesserung oder Wiederherstellung der Kaufunktion dienen, so liegt keine medizinische Gesamtbehandlung i. S. von § 28 Abs. 2 S. 9 SGB 5 vor (BSG Urteil vom 7. 5. 2013, B 1 KR 19/12 R).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.8.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Suprakonstruktion im Wege der Sachleistung.

Die 1968 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Klägerin erkrankte 1998 an einer Osteomyelitis (Knochenentzündung) im Unterkiefer. 1998/1999 wurden die Zähne 44-47 entfernt und eine Teilresektion des Unterkiefers vorgenommen. 2003/2004 wurde durch Prof. Dr. Dr. L, Kieferklinik Düsseldorf, der Unterkieferknochen durch eine Beckenkammtransplantation wieder aufgebaut. Die Zahnreihe 44-47 wurde mit drei Implantaten versorgt und 2004 mit einer Suprakonstruktion geschlossen. Die Beklagte übernahm die dadurch entstandenen Kosten, da die Voraussetzungen für eine Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 S. 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) a.F. bejaht wurden. Ab Februar 2004 erfolgten regelmäßige Kontrollen, bei denen man häufig hyperplastisches Gewebe entfernte. Im August 2004 wurde auf Kulanz der Klinik die Suprakonstruktion wegen abgeplatzter Keramik repariert, in 2006 erhielt die Klägerin auf Kosten der Klinik eine gänzlich neue Suprakonstruktion sowie eine Aufbissschiene. Im September 2007 implementierte Prof. Dr. Dr. L wegen einer Periimplantitis eine Vestibulumplastik (Mundvorhofplastik); im November 2007 kam es vorübergehend zu einer Verbesserung des Zustands.

Bei der Klägerin entwickelte sich im Herbst 2011 eine Entzündung der Mundschleimhäute, ohne dass es zu einem Rezidiv der Osteomyelitis kam. Durch die veränderte Bisssituation platzte erneut Keramik von der Suprakonstruktion ab. Die Klägerin beantragte daraufhin im Oktober 2011 bei der Beklagten eine neue Suprakonstruktion und legte ein Schreiben des Prof. Dr. Dr. L vom 30.9.2011 vor, in dem dieser angab, eine Ausnahmeindikation für implantologische Leistungen nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V sei ebenso wie im Jahr 2003 zu bejahen. Der behandelnde Zahnarzt Dr. T führte am 24.10.2011 aus, die Implantatbrücke regio 47-44 sei defekt. Nach seinem Kostenvoranschlag vom 4.11.2011 entstünden Gesamtkosten von 3.404 EUR aus, wobei der Eigenanteil der Klägerin abzüglich der Festzuschüsse i.H.v. 453,90 EUR voraussichtlich 2.950,10 EUR betrage.

Die Beklagte bewilligte den Festzuschuss i.H.v. 453,90 EUR und lehnte eine Übernahme der Kosten im Übrigen mit der Begründung ab, eine Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V liege nicht mehr vor (Bescheid vom 29.2.2012). Im Widerspruchsverfahren erklärte Dr. T am 13.9. und 15.11.2012, wegen der chronischen Osteomyelitis liege nach wie vor eine Ausnahmeindikation vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass ein Anspruch der Klägerin nach der nunmehr seit dem 1.1.2005 geltenden Rechtslage nicht mehr bestehe (Widerspruchsbescheid vom 4.7.2013).

Mit ihrer am 31.7.2013 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, durch einen neuen, weitreichenden Abbau des Knochentransplantats und eine damit verbundene Fehlbelastung im Kiefer sei es zu großflächigen Abplatzungen der Keramik an der Suprakonstruktion gekommen. Diese sei nicht mehr funktionsfähig, so dass sie sogar nachts die Aufbissschiene tragen müsse, um weitere Schäden (z.B. am Kiefergelenk) zu verhindern. Weil eine Reparatur dieser Defekte nicht möglich sei, sei eine neue Suprakonstruktion erforderlich. Da bei der 2003 durchgeführten Operation ein Gesichtsnerv betroffen gewesen sei, sei bei einer Herausnahme der Implantate eine weitere Nervenschädigung zu befürchten. Die Änderung der Rechtslage dürfe nicht zu ihren Lasten gehen, da sie wegen der bereits 2003 bestätigten Ausnahmeindikation Bestandsschutz genieße und Folgekosten zu übernehmen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Änderung des Bescheids vom 27.2.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.7.2013 die Kosten für die Suprakonstruktion vollständig zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Das SG hat die Arztbriefe und Behandlungsunterlagen der Universitätsklinik Düsseldorf beigezogen. Dr. T hat in seinem Befundbericht vom 4...

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