Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechenbarkeit einer Nebenkostenrückzahlung auf Leistungen des SGB 2
Orientierungssatz
1. Eine Nebenkostenrückzahlung kann nicht wie ein aus dem Arbeitslosengeld 2 angesparter Betrag als Vermögen angesehen werden, mit der Folge, dass dann zugunsten des Beziehers von Leistungen des SGB 2 ein Freibetrag zu berücksichtigen wäre. Die Nebenkostenrückstellung stellt vielmehr Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 dar und ist anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
2. Durch den Erhalt der Nebenkostenrückzahlung tritt eine wesentliche Änderung in den der Leistungsbewilligung zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnissen ein, welche den Leistungsempfänger zur Mitteilung dem Leistungsträger gegenüber nach § 60 Abs. 1 SGB 1 verpflichtet.
3. In § 43 SGB 2 ist eine Aufrechnungsermächtigung mit zu Unrecht erhaltenen Leistungen des SGB 2 nicht ausdrücklich auch für den Fall eines pflichtwidrigen Unterlassens ausgesprochen. Notwendig zur Verwirklichung des Aufrechnungstatbestandes ist daher, dass der Hilfebedürftige die Leistungen, die Gegenstand des Erstattungsanspruchs sind, veranlasst hat. Daher kommt eine Aufrechnung nur bei Aufhebungsbescheiden in Betracht, die auf § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB 10 beruhen.
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 5. November 2008 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2007 wird aufgehoben, soweit die Erstattungsforderung der Beklagten 277,45 EUR übersteigt und eine Aufrechnung mit dem laufenden Leistungsanspruch angeordnet ist.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 1/4 zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) im Hinblick auf erhaltene Nebenkostenrückzahlungen und die Berechtigung der Beklagten zur Aufrechnung des Erstattungsbetrages gegen die laufend gezahlte Leistung.
Die Klägerin bezog seit Januar 2005 laufend Alg II.
In 2005 wurden ihr zunächst laufend monatlich 345 EUR Regelleistung und 377,98 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) gezahlt. Im August 2005 erhielt sie 496,09 EUR (345 EUR Regelleistung, KdU 373,62 EUR) abzüglich des Guthabens aus einer Nebenkostenrückzahlung 2004 in Höhe von 222,53 EUR, die als Einkommen anspruchsmindernd angerechnet wurde (Bescheid vom 22.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2005, im Überprüfungsverfahren mit Bescheid vom 13.08.2007 aufgehoben).
Mit Ihrem Fortzahlungsantrag vom 15. September 2005 legte sie eine Mietbescheinigung vom 18.08.2005 vor. Danach betrug die monatliche Grundmiete für ihre 75,64 m² große Wohnung 299,46 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung 61,36 EUR. Ab Oktober 2005 bewilligte die Beklagte nur noch die aus ihrer Sicht angemessenen KdU von 297,94.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 16.02.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen bis einschließlich August 2006 (Bewilligungsbescheid vom 06.03.2006). Am 27.06.2006 erhielt die Klägerin eine Nebenkostenrückzahlung für 2005 in Höhe von 180,76 EUR, die sie der Beklagten zunächst verschwieg.
Für den Bewilligungszeitraum 01.09.2006 bis 31.12.2006 erhielt die Klägerin 652,12 EUR Alg II, im Januar und Februar 2007 606,12 EUR. Der Bewilligungsbescheid vom 15.08.2006 sah ab 01.01.2007 eine Absenkung der Kosten für Unterkunft und Heizung von zuvor 307,12 EUR auf 261,12 EUR vor.
Zum 01.01.2007 hob der Vermieter der Klägerin die monatliche Kaltmiete auf 307,02 EUR an, bei weiter vorauszuzahlenden Nebenkosten von 61,36 EUR. Die monatlichen Heizkosten lagen bei 31 EUR. Die entsprechende Vermieterbescheinigung legte die Klägerin mit dem Fortzahlungsantrag vom 07.02.2007 vor. Die Beklagte bewilligte neben dem Regelsatz KdU von 319,39 EUR für den Bewilligungszeitraum März bis August 2007 (Bescheid vom 13.02.2007).
Am 10.07.2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihre Nebenkostenabrechnungen für 2005 und 2006 vorzulegen. Aus den daraufhin erstmals eingereichten Abrechnungen vom 28.03.2006 und 28.04.2007 ergab sich ein Guthaben von 180,76 EUR für 2005 und von 206,68 EUR für 2006, eingegangen auf dem Konto der Klägerin am 27.06.2006 (für 2005) und am 30.05.2007 (für 2006).
Unter dem 13.08.2007 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass sie beabsichtige, die beiden Nebenkostenrückzahlungen für 2005 und 2006 als Einkommen auf den Alg II-Anspruch der Klägerin im Juli 2006 und im Juni 2007 anzurechnen, entsprechend die für diese Monate erfolgte Alg II-Bewilligung teilweise aufzuheben und überzahlte Leistungen in Höhe von 387,44 EUR zurückzufordern.
Mit Bescheid vom 03. September 2007 hob die Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 06.03.2006 (für die Zeit vom 01.07. bis 31.07.2006 in Höhe von 180,76 EUR) und 13.02.2007 (für die Zeit vom 01.06.2007 bis 30.06.2007 in Höhe von 387,44 EUR) gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise auf, und...